
Guterres eröffnet UN-Klimakonferenz in Madrid mit Appell zum raschen Umsteuern

Unter dem Eindruck weltweiter Klimaproteste und zerstörerischer Wetterextreme hat UN-Generalsekretär António Guterres die Weltklimakonferenz in Madrid mit einem eindringlichen Appell zum raschen Umsteuern in der Klimapolitik eröffnet. Die Menschheit müsse wählen zwischen dem Weg der "Hoffnung" und dem der "Kapitulation" beim Klimaschutz, sagte Guterres am Montag vor Vertretern aus fast 200 Ländern. Umweltorganisationen kritisierten Deutschlands Maßnahmen als unzureichend, Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bezeichnete die Bundesregierung gar als einen der "Hauptbremser beim Klimaschutz".
"Wollen wir wirklich als die Generation in Erinnerung bleiben, die den Kopf in den Sand steckte, die herumbummelte, während die Erde in Flammen stand?", fragte Guterres die Teilnehmer der 25. UN-Klimakonferenz, zu der am Montag auch rund 40 Staats- und Regierungschefs zählten.
Der UN-Generalsekretär mahnte, die Welt stehe an einem "Wendepunkt" und sollte nun umsteuern hin zu einem "Weg der Entschlossenheit und der dauerhaften Lösungen. Einen Weg, bei dem die fossilen Energien bleiben, wo sie sind - im Boden und bei dem wir bis 2050 CO2-Neutralität erreichen". Dazu müsse die "Abhängigkeit von der Kohle" aufgegeben werden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) signalisierte Bereitschaft zu ehrgeizigen Beschlüssen in Madrid. "Je länger wir warten, desto schwieriger und teurer wird es", erklärte sie in Berlin passend zum Madrider Konferenz-Motto "Tiempo de actuar" - "Zeit zu handeln".
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) warb für eine Vorreiterrolle der EU. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sagte in Madrid, weil Europa eine historische Verantwortung für die Erderwärmung trage und seine Bürger es forderten, müsse es den Ausstieg aus den fossilen Energien "anführen".
Einige Hilfsorganisationen sehen allerdings bei Deutschland und der EU eine Mitschuld für die schleppende Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Greenpeace-Chefin Morgan sagte der Nachrichtenagentur AFP, Deutschland sei beim Klimaschutz derzeit auf dem "Weg zurück in die Vergangenheit". Das Klimapaket der Bundesregierung wertete Morgan insbesondere wegen der Vertagung des Kohleausstiegs auf 2038 als "enttäuschend schwach".
Ein Bündnis aus Klima-Allianz und Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (Venro) erklärte, die deutschen und europäischen Ziele reichten "bei Weitem nicht aus, um das Pariser Abkommen einzuhalten".
Deutschland will seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent verringern. Außerdem hat es zugesagt, bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Ihr Klimaziel für 2020 wird die Bundesregierung aber verfehlen: Statt einer Emissionsminderung um 40 Prozent werden voraussichtlich nur 32 Prozent erreicht.
Umweltorganisationen dringen darauf, dass in Madrid zumindest ein paar große Emittenten eine Anhebung ihrer Klimaschutzziele fest zusagen. Weitere Knackpunkte der auf zwölf Tage angesetzten Verhandlungen sind Hilfen für die Entwicklungsländer bei der Bewältigung klimabedingter Schäden sowie konkrete Regeln zur Einbeziehung des Emissionszertifikatehandels in die internationalen Klimaschutzbemühungen.
Den Konferenzvorsitz hat Chile mit seiner Umweltministerin Carolina Schmidt. Wegen der sozialen und politischen Unruhen in Chile sprang aber Spanien kurzfristig als Gastgeberland ein. Erwartet werden rund 29.000 Teilnehmer, darunter auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg.
Mit Blick auf die von der jungen Schwedin initiierten weltweiten Klimaschutzbewegung Fridays for Future sagte Guterres in Madrid, die Regierungen sollten "den Menschenmassen, die den Wandel fordern", zuhören und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefahren des Klimawandels nicht ignorieren. Bislang steigen aber die weltweiten Treibhausgas-Emissionen immer weiter.
Die Hilfsorganisation Save the Children hob hervor, dass in diesem Jahr in Teilen Afrikas bereits mindestens 1200 Menschen durch die vom Klimawandel verstärkten Wetterextreme ums Leben gekommen seien. Die Organisation Oxfam verwies auf jährlich 20 Millionen Klima-Flüchtlinge. Die Präsidentin der Marschall-Inseln, Hilda Heine, sagte in einer Videobotschaft an die Verhandler in Madrid, kleine Inselstaaten wie ihrer befänden sich wegen des klimabedingten Anstiegs der Meeresspiegel jetzt schon "im Todestrakt".
(P.Tomczyk--DTZ)