
Appelle zum raschen und harten Umsteuern zu Beginn der Klimakonferenz in Madrid

Mit Appellen zum raschen und harten Umsteuern in der Klimapolitik ist die Weltklimakonferenz in Madrid eröffnet worden. Die Menschheit müsse wählen zwischen dem Weg der "Hoffnung" und dem der "Kapitulation" beim Klimaschutz, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Montag vor Vertretern aus fast 200 Ländern. Umweltorganisationen kritisierten Deutschlands Maßnahmen als unzureichend, Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bezeichnete die Bundesregierung gar als einen der "Hauptbremser beim Klimaschutz".
"Wollen wir wirklich als die Generation in Erinnerung bleiben, die den Kopf in den Sand steckte, die herumbummelte, während die Erde in Flammen stand?", fragte Guterres die Teilnehmer der 25. UN-Klimakonferenz, zu denen am Montag auch rund 40 Staats- und Regierungschefs zählten. Der UN-Generalsekretär mahnte, die Welt stehe an einem "Wendepunkt" und sollte nun umsteuern hin zu einem "Weg der Entschlossenheit und der dauerhaften Lösungen".
"Was immer noch fehlt, ist der politische Wille", sagte Guterres mit Verweis auf die Länder mit den höchsten CO2-Emissionen, "die nicht ihren Beitrag leisten". Guterres nannte die Länder nicht beim Namen. China, Japan, Kanada und Australien schickten keine ranghohen Vertreter zur Eröffnung der Konferenz.
Die US-Regierung entsandte eine einfache Diplomatin. Die oppositionellen US-Demokraten waren hingegen durch die einflussreiche Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, vertreten. "Wir sind immer noch da", sagte sie und unterstrich die "moralische Verantwortung" gegenüber künftigen Generationen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) signalisierte Bereitschaft zu ehrgeizigen Beschlüssen in Madrid. "Je länger wir warten, desto schwieriger und teurer wird es", erklärte sie in Berlin passend zum Madrider Konferenz-Motto "Tiempo de actuar" - "Zeit zu handeln". Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) warb für eine Vorreiterrolle der EU.
Der Regierungschef des Gastgeberlandes Spanien, Pedro Sánchez, sagte in Madrid, weil Europa eine historische Verantwortung für die Erderwärmung trage und seine Bürger es forderten, müsse es den Ausstieg aus den fossilen Energien "anführen".
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch begrüßte die Aussagen der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Klimakonferenz. "Mit einer finanziellen Ausstattung von einer Billion Euro in den kommenden zehn Jahren sendet von der Leyen ein kraftvolles Signal zur Ernsthaftigkeit der europäischen Ambitionen", erklärte Christoph Bals von Germanwatch.
Einige Hilfsorganisationen sehen allerdings bei Deutschland und der EU eine Mitschuld für die schleppende Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Greenpeace-Chefin Morgan sagte der Nachrichtenagentur AFP, Deutschland sei beim Klimaschutz derzeit auf dem "Weg zurück in die Vergangenheit". Das Klimapaket der Bundesregierung wertete Morgan insbesondere wegen der Vertagung des Kohleausstiegs auf 2038 als "enttäuschend schwach".
Deutschland will seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent verringern. Außerdem hat es zugesagt, bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Ihr Klimaziel für 2020 wird die Bundesregierung aber verfehlen: Statt einer Emissionsminderung um 40 Prozent werden voraussichtlich nur 32 Prozent erreicht.
Umweltorganisationen dringen darauf, dass in Madrid zumindest ein paar große Emittenten eine Anhebung ihrer Klimaschutzziele fest zusagen. Weitere Knackpunkte der auf zwölf Tage angesetzten Verhandlungen sind Hilfen für die Entwicklungsländer bei der Bewältigung klimabedingter Schäden sowie konkrete Regeln zur Einbeziehung des Emissionszertifikatehandels in die internationalen Klimaschutzbemühungen.
Den Konferenzvorsitz hat Chile mit seiner Umweltministerin Carolina Schmidt. Wegen der Unruhen in Chile sprang aber Spanien kurzfristig als Gastgeberland ein. Erwartet werden rund 29.000 Teilnehmer, darunter auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie wird nach ihrer Überfahrt über den Atlantik am Dienstag in Lissabon eintreffen und von dort nach Madrid weiterreisen.
Mit Blick auf die von der jungen Schwedin initiierte weltweite Klimaschutzbewegung Fridays for Future sagte Guterres in Madrid, die Regierungen sollten "den Menschenmassen, die den Wandel fordern", zuhören und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefahren des Klimawandels nicht ignorieren. Bislang steigen aber die weltweiten Treibhausgas-Emissionen immer weiter.
(I.Beryonev--DTZ)