Deutsche Tageszeitung - Minimalbeschlüsse nach Rekord-Verhandlungsmarathon in Madrid

Minimalbeschlüsse nach Rekord-Verhandlungsmarathon in Madrid


Minimalbeschlüsse nach Rekord-Verhandlungsmarathon in Madrid
Minimalbeschlüsse nach Rekord-Verhandlungsmarathon in Madrid / Foto: ©

Trotz mehr als 40-stündigen Nachsitzens haben sich die Verhandler bei der UN-Klimakonferenz nur auf Minimalbeschlüsse geeinigt. Die chilenische Umweltministerin und Konferenzvorsitzende Carolina Schmidt verkündete am Sonntag in Madrid die Beschlüsse vor den Delegierten aus fast 200 Ländern. Darin wurde unter anderem die Notwendigkeit anerkannt, dass alle Länder ihre nationalen Klimaschutzziele anheben. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisierten die Beschlüsse als völlig unzureichend für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.

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In dem Beschluss zur Klimaschutz-Ambition wird auf die "Kluft" zwischen den notwendigen und den tatsächlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Paris-Abkommens hingewiesen. Die Staaten werden daher "ermutigt", 2020 "die höchstmögliche Ambition als Reaktion auf die Dringlichkeit" des Kampfs gegen die Erderwärmung zu zeigen und auf Grundlage der Wissenschaft ehrgeizigere nationale Klimaschutzziele vorzulegen.

Die Hoffnung von Entwicklungsländern und Inselstaaten auf einen eigenen internationalen Fonds zur Bewältigung von bereits eintretenden klimabedingten Schäden und Verlusten erfüllte sich nicht. Die Ausgestaltung von Artikel 6 des Pariser Abkommens gelang ebenfalls nicht.

Damit bleibt das sogenannte Regelbuch zur Umsetzung des Paris-Abkommens weiter unvollständig. Alle anderen Kapitel waren vor einem Jahr bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz beschlossen worden. Die Artikel-6-Verhandlungen wurden damals auf die diesjährige Weltklimakonferenz vertagt und sollen nun auch die nächste UN-Klimakonferenz 2020 in Glasgow beschäftigen.

Artikel 6 sieht vor, auch Marktmechanismen zur Steigerung und Umsetzung der nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) zu nutzen. So könnte ein Industrieland ein Solarkraftwerk in einem afrikanischen Land finanzieren, um dort die Nutzung fossiler Energieträger zu verringern, und sich diese Emissionseinsparung auf seine NDC anrechnen lassen.

Besonders umstritten war, ob unter dem Kyoto-Protokoll vergebene Verschmutzungsrechte unter dem Paris-Abkommen weiter gelten sollen. Darum kämpften insbesondere Brasilien, aber auch die USA, Australien oder Indien. Die EU stemmte sich dagegen, da aus ihrer Sicht die Anerkennung alter Zertifikate - genauso wie Schlupflöcher etwa für Doppelzählungen - das gesamte Pariser Abkommen unterlaufen würde.

Die Verhandlungen in Madrid hatten eigentlich am Freitagabend enden sollen. Am Samstag brachte die Konferenzvorsitzende Schmidt Umweltverbände, aber auch viele Verhandler mit kaum ambitionierten Beschlusstext-Entwürfen gegen sich auf. Insgesamt zwei Nächte und ein Tag lang wurde weiter verhandelt.

Noch nie wurde bei einer UN-Klimakonferenz so lange überzogen. Aus europäischen Delegationskreisen hieß es noch am Sonntagmorgen: "Es ist ein harter Kampf, hier wenigstens keine Rückschritte zu erleiden."

Angesichts der weltweiten Klima-Demonstrationen und eindringlicher Appelle von Wissenschaft und Aktivisten wie Greta Thunberg standen die Verhandler in Madrid unter Druck. Die Beschlüsse verrieten nun aber "all jene Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise leiden und nach schnellen Fortschritten rufen", kritisierte der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser.

Die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, erklärte, reiche Länder seien mit dem Ende der Klimakonferenz in Madrid "nicht aus der Verantwortung entlassen, die Kosten ihrer Zeche zu bezahlen". Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care fragte, was Wissenschaft und Klimaaktivisten noch vorbringen müssten, "damit die großen Wirtschaftsmächte sich endlich nicht mehr taub stellen?"

Michael Schäfer vom WWF Deutschland rief die EU auf, nach ihrem Beschluss für ein klimaneutrales Europa bis 2050 im Klimaschutz die Führung zu übernehmen: Jetzt komme es darauf an, dass die EU-Länder ihre "Mondrakete zünden, also den EU-Klimabeitrag deutlich anheben und den Funken auf andere überspringen lassen." Dabei dürfe die Bundesregierung "nicht weiter auf der Bremse stehen". Auch der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals, warb dafür, dass die EU im Klimaschutz "vorangeht und internationale Partnerschaften zum Beispiel mit China, Indien und Südafrika organisiert".

(U.Beriyev--DTZ)