
Zentralrats-Präsident Schuster besorgt über mangelndes Geschichtswissen

Zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Zweifel daran geäußert, dass die Deutschen hinreichende Lehren aus der Nazi-Vergangenheit gezogen haben. Zwar wüssten die Regierungsverantwortlichen um die andauernde Verantwortung aus der NS-Zeit, sagte Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Doch sei er "nie überzeugt" gewesen, dass die gesamte deutsche Gesellschaft aus der Geschichte gelernt habe.
Diese Überzeugung fehle ihm "erst recht" in der heutigen Zeit, sagte Schuster. Ein gewisses Maß an Antisemitismus scheine ein dauerhafter Fakt zu sein. Hinzu komme eine gefährliche Geschichtsvergessenheit, die gerade bei jüngeren Menschen nicht zu leugnen sei: "Für sie ist der Zweite Weltkrieg gedanklich ähnlich weit entfernt wie das Kaiserreich." Wenn rund die Hälfte der Jugendlichen den Begriff "Auschwitz" nicht kenne, "läuft etwas schief", beklagte Schuster.
Gleichwohl sagte der Zentralrats-Präsident, es lasse sich heute in Deutschland gut leben – "auch als Jude". Viele Juden stünden auch außerhalb des Gemeindelebens zu ihren Wurzeln und bereicherten das Land.
Antisemitische Vorfälle haben allerdings in den vergangenen Jahren in Deutschland wieder zugenommen. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte am Dienstag beklagt, dass im Zuge der Corona-Krise der Antisemitismus noch weiter erstarke. Je größer die Verunsicherung der Menschen sei, desto eher wendeten sie sich "Sündenbocktheorien" zu. In den vergangenen Wochen versuchten Rechtsradikale verstärkt, die Corona-Krise für ihre Ziele zu instrumentalisieren, sagte Klein.
Der Jahrestag des Weltkriegsendes wird am Freitag im Bundesland Berlin als gesetzlicher Feiertag begangen. Der offizielle Feiertag wurde allerdings nur für dieses Jahr und auch nur für Berlin erklärt.
(V.Sørensen--DTZ)