Tarifkonflikt im Baugewerbe spitzt sich zu
Bisher war keine Einigung möglich: Im Tarifkonflikt im deutschen Baugewerbe hat am Mittwoch ein Schlichtungsverfahren begonnen. Ein bundesweiter Streik auf deutschen Baustellen sei "so wahrscheinlich wie seit 20 Jahren nicht mehr", warnte der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger. Streitpunkt ist insbesondere eine höhere Entschädigung für die oft langen Arbeitswege zu Baustellen.
Die Gewerkschaft hatte für Mittwoch zu Protesten in Berlin aufgerufen. "Das ist die letzte Chance für eine Einigung", warnte Feiger im Vorfeld der Demonstration. Sollte sich die Arbeitgeberseite weiterhin querstellen "dann wird es im Herbst unweigerlich einen Bau-Streik geben". Hunderte von Baustellen, von Autobahnen bis hin zu "bedeutenden Projekten im Hochbau", würden dann stillstehen.
Für die knapp 900.000 Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe forderte die IG BAU eine Lohnerhöhung von 5,3 Prozent und einen Lohnangleich zwischen Ost und West. Außerdem will die Gewerkschaft eine höhere Entschädigung für die oft langen Arbeitswege zu Baustellen durchsetzen. Im Schnitt handele es sich hier um Strecken von 60 Kilometern.
Dies sei "der größte Haken in den Verhandlungen", sagte Feiger der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch. Die Forderung bestehe bereits seit 2018, eine Einigung war aber noch nicht möglich. "Ohne ein echtes Einlenken der Arbeitgeber wird es dieses Mal keine Einigung mit uns geben", sagte Feiger weiter.
Ende September waren die Tarifverhandlungen im Bauhauptgewerbe gescheitert, die Tarifparteien einigten sich auf eine Schlichtung unter dem Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel. Feiger bezeichnete die Schlichtung als "letzte Chance".
Die deutsche Bauindustrie wies Vorwürfe der IG BAU zurück, sie habe die Tarifrunde scheitern lassen. "Wir haben bereits in der ersten Verhandlungsrunde ein Angebot mit einem Volumen von drei Prozent auf den Tisch gelegt und Vorschläge zur Ost-West-Angleichung gemacht", erklärte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Uwe Nostitz. Arbeitswege würden außerdem bereits mit einem pauschalen Aufschlag von rund 1000 Euro pro Jahr entlohnt, hinzu kämen "weitere Geldleistungen für An- und Abreise und Wochenendheimfahrten".
Neben dem Tarifkonflikt steht die Bauwirtschaft auch vor einem Nachwuchsproblem: Das Münchner Ifo-Institut warnte am Mittwoch vor einem verschärften Fachkräftemangel auf deutschen Baustellen. Laut einer aktuellen Umfrage berichteten im September 33,5 Prozent der Betriebe im Hochbau von Problemen bei der Suche nach Fachkräften. Im Tiefbau war der Fachkräftemangel mit 37,9 Prozent noch ausgeprägter. Im August hatte der Mangel im Hochbau noch um 3,5 Prozentpunkte niedriger gelegen, im Tiefbau waren es 1,4 Prozentpunkte weniger.
Ein weiteres Problem für viele Bauunternehmen: Die Belegschaft wird immer älter und das Handwerk genießt zu geringes gesellschaftliches Ansehen. "Trotz wieder steigender Ausbildungszahlen hat der Bau ernste Nachwuchssorgen", erklärte Ifo-Forscher Felix Leiss.
(Y.Ignatiev--DTZ)