
Downing Street: Johnson hält Einigung mit EU im Brexit-Streit für möglich

Im Endspurt bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel haben beide Seiten separat über die Knackpunkte eines möglichen Kompromisses beraten. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson informierte sein Kabinett am Sonntagmittag über den Stand bei den Verhandlungen. Der scheidende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach sich derweil dafür aus, einem etwaigen Antrag Großbritanniens auf eine erneute Brexit-Verschiebung stattzugeben.
Johnson habe gegenüber seinen Ministern "bekräftigt, dass ein Weg zu einer Einigung" mit der EU erkennbar sei, sagte ein Sprecher von Downing Street. Demnach sprach Johnson aber auch von "erheblichen Anstrengungen", die noch nötig seien, um eine Vereinbarung mit Brüssel zu erzielen.
Der Premierminister hatte zuvor erneut bekräftigt, sein Land Ende des Monats aus der EU führen zu wollen - mit oder ohne Abkommen. "Den Brexit bis 31. Oktober umzusetzen, ist absolut entscheidend", sagte er.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier wollte einem EU-Diplomaten zufolge die 27 EU-Botschafter am frühen Abend über den aktuellen Verhandlungsstand mit London unterrichten und Bilanz ziehen.
"Die Hoffnung ist, dass die britischen Unterhändler ausreichend Flexibilität gezeigt haben, um die Verhandlungen fortsetzen und rasch abschließen zu können", sagte der Diplomat der Nachrichtenagentur AFP. "Die Uhr tickt", fügte er hinzu. Der Stand der Brexit-Verhandlungen dürfte auch bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Sonntagabend Thema sein.
Barnier und der britische Brexit-Unterhändler Steve Barclay hatten am Freitag hinter verschlossenen Türen über einen neuen Kompromissvorschlag aus London verhandelt. Anschließend hatten die EU-Staaten grünes Licht für intensivierte Brexit-Gespräche mit London in den kommenden Tagen gegeben. Sollte es dabei zu einer Vereinbarung kommen, soll sie beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober beschlossen werden.
Über den britischen Kompromissvorschlag ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Offenbar sieht er eine "Zollpartnerschaft" zwischen Nordirland und der EU vor. Die EU besteht darauf, dass Zollkontrollen an der irisch-nordirischen Grenze verhindert werden.
Jedoch muss nicht nur Brüssel einem Brexit-Abkommen zustimmen, sondern auch das britische Parlament. Weil Johnsons Tories keine Mehrheit im Unterhaus mehr haben, ist der Premier von der Unterstützung der nordirischen Unionisten abhängig. Deren Fraktionsvorsitzender Nigel Dodds betonte gegenüber der italienischen Zeitung "La Repubblica", dass "Nordirland vollständig in einer Zollunion mit dem Vereinigten Königreich bleiben" müsse. "Das weiß Boris Johnson genau", sagte Dodds.
Der linke Oppositionschef Jeremy Corbyn sagte am Sonntag im Sender Sky, seine Partei wolle den EU-Gipfel abwarten. "Wir werden uns jede Vereinbarung, die vorgelegt wird, ansehen, bevor wir eine Wahl anstoßen", sagte der Labour-Chef.
Anfang September hatte das Johnson per Gesetz dazu verpflichtet, eine Brexit-Verschiebung zu beantragen, sollte es bis zum 19. Oktober keine Einigung mit der EU auf ein Abkommen geben.
EU-Kommissionschef Juncker sprach sich im österreichischen "Kurier" für die Zustimmung der EU aus, sollten "die Briten um Verlängerung bitten, was sie wahrscheinlich nicht tun werden". Er werde jedoch nicht "auf Knien rutschen, um sie um eine Verlängerung zu bitten", betonte Juncker, dessen letzter Tag im Amt just auf den geplanten Brexit-Termin fällt.
(W.Novokshonov--DTZ)