Deutsche Tageszeitung - Zehntausende Katalanen setzen Proteste gegen Gerichtsurteile fort

Zehntausende Katalanen setzen Proteste gegen Gerichtsurteile fort


Zehntausende Katalanen setzen Proteste gegen Gerichtsurteile fort
Zehntausende Katalanen setzen Proteste gegen Gerichtsurteile fort / Foto: ©

Trotz Warnungen vor erneuten Eskalationen haben die Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien ihre Proteste fortgesetzt. Etwa 25.000 Studenten und weitere Aktivisten versammelten sich am Donnerstag vor dem Rathaus in Barcelona, um gegen die hohen Haftstrafen für neun prominente Unabhängigkeitsbefürworter zu demonstrieren. Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra verurteilte die Ausschreitungen am Rande der jüngsten Proteste, drohte aber auch mit einem neuen Unabhängigkeitsreferendum. Die Regierung in Madrid kündigte erneut ein hartes Vorgehen gegen Randalierer an.

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Torra reagierte mit seiner Ankündigung eines neuen Referendums auf den Unmut über die harten Gerichtsurteile. "Wenn wir für die Aufstellung von Urnen zu 100 Jahren Gefängnis verurteilt werden, dann ist die Antwort klar: Man muss erneut Urnen für die Selbstbestimmung aufstellen", sagte Torra im Regionalparlament in Barcelona. Dieses solle noch in dieser Legislaturperiode, die 2022 endet, stattfinden.

Seit Tagen protestieren katalanische Unabhängigkeitsbefürworter gegen das Urteil von Spaniens Oberstem Gerichtshof. Die Proteste hielten am Donnerstag weiter an: Tausende Studenten traten in den Streik, bei den Protesten vor dem Rathaus in Barcelona wurden Polizisten beschimpft und mit Eiern sowie Toilettenpapier beworfen.

Straßen und Autobahnen wurden gesperrt, weil tausende Menschen ihren am Mittwoch begonnenen Sternmarsch in Richtung Barcelona fortsetzten. Der Marsch soll am Freitag mit einer Massenkundgebung in der katalanischen Hauptstadt enden, gleichzeitig ist ein Generalstreik geplant.

Die sogenannte Verteidigungskomitee der Republik (CDR), eine Gruppe radikaler Unabhängigkeitsbefürworter, rief für die Nacht zu Freitag zu weiteren Protesten auf. Innenminister Fernando Grande-Marlaska warnte, gewalttätige Demonstranten würden "nicht straffrei" davonkommen.

Spaniens Oberstes Gericht hatte am Montag Haftstrafen von bis zu 13 Jahren unter anderem gegen den frühere katalanischen Vize-Regionalpräsidenten Oriol Junqueras und die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, verhängt. Die Richter sprachen sie des "Aufruhrs" und der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig, weil sie im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert hatten.

Am Mittwoch kam es in Barcelona den dritten Abend in Folge zu schweren Ausschreitungen von Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung. Nach einem friedlichen Protestmarsch tausender Menschen errichteten hunderte junge Demonstranten Barrikaden, setzten Mülleimer und Autos in Brand und schleuderten Flaschen und Steine auf die Polizei.

Nach Angaben der Polizei wurden die Beamten dabei erstmals auch mit Molotowcocktails und Behältern mit Säure beworfen. Die Protestierenden feuerten zudem Feuerwerkskörper in Richtung eines Polizeihubschraubers ab.

Torra hatte daraufhin ein sofortiges Ende der Gewalt gefordert. Es gebe für brennende Autos und andere Formen des Vandalismus "keinerlei Rechtfertigung", sagte er am späten Mittwochabend im Regionalfernsehen. "Das muss sofort aufhören." Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez hatte Torra zuvor aufgerufen, die Gewalt klar zu verurteilen.

Insgesamt wurden bei den Ausschreitungen 96 Menschen verletzt, davon allein 58 in Barcelona, wie die Rettungsdienste mitteilten. Dem Innenministerium zufolge wurden 46 Polizisten verletzt, einige von ihnen schwer. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben in der gesamten Region 97 Menschen seit Beginn der Proteste fest.

Die anhaltenden Proteste stoßen bei vielen Katalanen aber auch auf Ablehnung. Fernando Sánchez Costa, Vorsitzender der Plattform Katalanische Bürgergesellschaft (SCC), die sich für die Einheit Spaniens einsetzt, erklärte, der Unabhängigkeitsprozess "hängt uns zum Hals raus". Die Unabhängigkeitsbefürworter "haben uns zehn Jahre Koexistenz geraubt, und wir möchten eine neue Phase der Ruhe einläuten".

Die SCC hat für den 27. Oktober, den Jahrestag der gescheiterten Unabhängigkeitserklärung 2017, eine Demonstration in Barcelona angekündigt. Einer im Juli veröffentlichten Umfrage zufolge unterstützen 44 Prozent der Katalanen die Abspaltung von Spanien, 48,3 Prozent sind jedoch dagegen.

Das Auswärtige Amt empfahl unterdessen deutschen Reisenden, Demonstrationen und größere Menschenansammlungen weiträumig zu meiden und den Anweisungen von Sicherheitskräften zu folgen.

(V.Sørensen--DTZ)

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