
Spahn dementiert Grundrenten-Kompromiss in Koalition und stellt Bedingungen auf

Kurz vor dem Spitzentreffen der Koalition zur Grundrente formiert sich in der Union Widerstand gegen Zugeständnisse an den Koalitionspartner SPD. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dementierte am Samstag Berichte, wonach sich die Arbeitsgruppe der Koalition im Grundsatz auf einen Kompromiss verständigt habe, der auf Drängen der SPD keine Bedürftigkeitsprüfung mehr vorsehe. "Geeinigt ist nichts", schrieb Spahn auf Twitter. Er stellte drei Bedingungen für eine Grundrenten-Einigung auf.
Spahns erste Bedingung ist eine "harte Einkommensprüfung als Bedürftigkeitsprüfung". Sie solle sicherstellen, "dass nur Rentner unterstützt werden, die trotz mehr als 35 Jahren Arbeit sehr wenig zum Leben haben". Rentner mit Mieteinnahmen "gehören übrigens nicht dazu", schrieb Spahn.
Weitere Bedingung Spahns ist eine Begrenzung der Gesamtausgaben für die Grundrente, wobei er keine konkrete Zahl nannte. Die von der SPD genannten Milliardenbeträge kritisierte er aber als nicht "verantwortbar". Drittens forderte Spahn Maßnahmen zur Konjunkturförderung etwa durch eine Senkung der Unternehmenssteuer.
Als "falsch" bezeichnete Spahn einen "Bild"-Bericht, wonach sich die Unterhändler der Koalition darauf verständigt hätten, dem Wunsch der SPD zu folgen und auf eine Prüfung der Bedürftigkeit als Voraussetzung für die Auszahlung der Grundrente zu verzichten. Spahn zählt selbst zu den Unterhändlern, die in einer elfstündigen Sitzung in der Nacht zu Freitag über einen Ausweg aus dem Koalitionsstreit berieten.
Das Kompromissmodell der Koalition sieht vor, dass die Auszahlung nur von der Höhe des versteuerten Einkommens abhängig gemacht werden solle, nicht aber vom Vermögen des Rentners. Die Rentenversicherung solle dafür automatisch den Steuerbescheid prüfen. Nicht überprüft werden sollen laut "Bild" Vermögen, Erträge aus Aktien und der Besitz von Immobilien.
Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Auszahlung der Grundrente von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig zu machen. Die SPD fordert nun aber den Verzicht auf eine solche Prüfung, um möglichst viele Rentner von der neuen Leistung profitieren zu lassen. Damit verärgert sie die Union: "Jede Einigung muss sich am Koalitionsvertrag messen lassen", twitterte Spahn am Samstag.
Auch in der Unionsfraktion hielt der Widerstand gegen den diskutierten Grundrenten-Kompromiss an. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg beharrte auf der Bedürftigkeitsprüfung. "Die Prüfung über den Steuerbescheid des Finanzamts überzeugt uns nicht", sagte Rehberg der "Bild". "Viele Rentner müssten dafür erstmals eine Steuererklärung abgeben."
Die CDU dürfe es nicht zulassen, dass Milliarden Euro aus der Rentenkasse für unberechtigte Empfänger zweckentfremdet werden, sagte Rehberg.
Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, forderte die Unionsfraktion auf, das Kompromissmodell zu verhindern. "Ich appelliere an die Verantwortung der CDU/CSU-Abgeordneten für alle Generationen", sagte er der "Bild". "Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für die SPD zu Lasten der jungen Generation und daher abzulehnen." In dieser Frage sei für ihn "eine rote Linie erreicht".
Das Kompromissmodell der Koalition würde dazu führen, dass weitaus mehr Rentner die Zusatzleistung erhielten als im Falle einer Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit - genau diesen Effekt strebt die SPD an, die Union fürchtet aber hohe Kosten. Unklar ist bislang, bis zu welcher Einkommenshöhe die Grundrente laut Kompromissmodell gewährt werden soll.
Die Koalition strebt nach Monaten des Streits für Montag einen Durchbruch an. Am Nachmittag soll zunächst erneut die zuständige Arbeitsgruppe aus Koalitionspolitikern tagen und einen Vorschlag ausarbeiten, der dann am Montagabend bei einem Treffen Koalitionsspitzen finalisiert und beschlossen werden soll.
(U.Stolizkaya--DTZ)