
Windkraftkrise überlagert Beratungen über Kohleausstiegsgesetz

Die sich verschärfende Windkraftkrise in Deutschland überlagert die Debatten über Energiewende und Kohleausstieg. Auf heftige Kritik von Opposition und Umweltverbänden stieß am Dienstag der Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz. Wegen darin enthaltener Abstandsregeln für neue Windräder sprach WWF-Klimaexperte Michael Schäfer von einem "Todesstoß" für den Windenergieausbau an Land.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte am Montagabend die Ressortabstimmung für das Kohleausstiegsgesetz eingeleitet. Bei den umstrittenen, von Bauminister Horst Seehofer (CSU) zugelieferten Passagen zur Windkraft geht es um den Beschluss von Union und SPD, wonach für Windkraftanlagen künftig ein Mindestabstand von 1000 Metern zur nächsten Wohnbebauung gelten soll, auch beim Repowering vorhandener Anlagen.
Das soll laut dem Gesetzentwurf, der AFP vorliegt, bereits ab fünf Gebäuden gelten sowie für unbebaute Gebiete, in denen Wohngebäude zulässig wären. Abweichungen für Länder und Kommunen sind möglich, aber nur in bestimmten Fristen und unter bestimmten Voraussetzungen.
Damit lege Altmaier "faktisch ein Gesetz zur Reduzierung und Beendigung des Windkraftzubaus an Land" vor, warf WWF-Experte Schäfer dem Minister vor. Er forderte die Koalition auf, "die verheerenden Anti-Windkraft-Regelungen komplett aus dem Artikelgesetz zu streichen".
Das Ziel der Regierung, den Anteil des Ökostroms bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen, werde ansonsten zu einer "Luftnummer", warnte der neue Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt. Altmaier nehme mit seiner Vorlage "Abstand zu jeder klimapolitischen Glaubwürdigkeit" und riskiere "zehntausende Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche".
Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte den Mindestabstand: "Damit errichten Union und SPD nahezu um jede Gießkanne eine Ein-Kilometer-Sperrzone für Windkraftanlagen". Er sprach von einer klimapolitischen "Geisterfahrt".
Die Abstandsregeln seien "deutlich zu groß bemessen", kritisierte auch Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Wegen der Windkraftkrise hatte zuletzt der Anlagenbauer Enercon harte Einschnitte angekündigt, durch die bis zu 3000 Stellen in Deutschland wegfallen werden.
Zum Kohleausstieg schreibt der Gesetzentwurf fest, dass die Kohleverstromung bis 2038 möglichst stetig auf Null reduziert werden soll. Bis 2022 soll die Leistung der Stein- und Braunkohlekraftwerke auf jeweils 15 Gigawatt sinken, bis 2030 bei Steinkohle auf höchstens acht und Braunkohle auf höchstens neun Gigawatt, um das Erreichen der deutschen Klimaziele für 2030 sicherzustellen. Keine Regelungen finden sich allerdings dazu, dass bei Kraftwerksstilllegungen auch die zugehörigen EU-Emissionszertifikate gelöscht werden.
Stilllegungen von Steinkohlekraftwerken sollen möglichst durch ein Ausschreibungsverfahren erreicht werden, ab 2026 aber wenn nötig auch durch Ordnungsrecht.
Streit gibt es um das fertiggestellte Kraftwerk Datteln IV, das entgegen den Empfehlungen der Kohlekommission nun offenbar doch in Betrieb gehen könnte. Dies wäre "eine Aufkündigung des Kohle-Kompromisses", warnte Linken-Parteichefin Katja Kipping. Details zum Braunkohleausstieg, worüber Altmaier derzeit mit den Betreibern verhandelt, bleiben vorerst noch offen.
In den Abschnitten zum Ökostrom wird das Ausbauziel für Windkraft auf See wie vorgesehen von 15 auf 20 Gigawatt bis 2030 angehoben - vorausgesetzt es gibt dafür hinreichende Netzkapazitäten. Der bestehende Förderdeckel von 52 Gigawatt für Solaranlagen soll entfallen.
Das Wirtschaftsministerium teilte zu der Vorlage des Gesetzentwurfs mit, die Neuregelung werde "das Zeitalter der Kohleverstromung planbar und gleichzeitig wirtschaftlich vernünftig beenden". Eine Sprecherin sprach von einem "ausgewogenen Kompromiss". Sie wies auch auf Erleichterungen für Genehmigungsverfahren für neue Windkraftanlagen hin.
(M.Dylatov--DTZ)