Deutsche Tageszeitung - Hongkongs Regierung plant womöglich Ausgangssperre für das Wochenende

Hongkongs Regierung plant womöglich Ausgangssperre für das Wochenende


Hongkongs Regierung plant womöglich Ausgangssperre für das Wochenende
Hongkongs Regierung plant womöglich Ausgangssperre für das Wochenende / Foto: © AFP

Angesichts der gewaltsamen Ausschreitungen in Hongkong hat eine chinesische Staatszeitung Spekulationen über die Verhängung einer Ausgangssperre in der chinesischen Sonderverwaltungszone genährt. Die Verkündung einer solchen Ausgangssperre werde für das Wochenende erwartet, schrieb die chinesische Staatszeitung "Global Times" am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter, löschte den Beitrag aber wenig später. Die Demonstranten setzten derweil in Hongkong ihre massiven Protestaktionen fort; der Berufsverkehr lag weitgehend lahm.

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In dem ursprünglichen Twitter-Beitrag, der auf Englisch verfasst war, berief sich die "Global Times" auf ungenannte Quellen. In einem neuen Tweet erklärte die Zeitung, es gebe keine ausreichenden Informationen, die den vorangegangenen Beitrag stützten.

Die Regierung in Hongkong äußerte sich zunächst nicht. Ein Polizeisprecher betonte, die Entscheidung liege bei Regierungschefin Carrie Lam. "Wir begrüßen jede neue Maßnahme, die uns hilft, die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Hongkong wiederherzustellen", ergänzte er.

Angesichts der anhaltenden Proteste suchte die Polizei mit ihren bisher knapp 30.000 Einsatzkräften nach Verstärkung. Sie kündigte an, rund hundert Gefängniswärter einzuziehen.

Ein chinatreuer Abgeordneter forderte darüber hinaus, Aushilfspolizisten anzufordern. Diese werden für gewöhnlich eingesetzt, um den Verkehr zu regeln oder Eingangskontrollen bei Veranstaltungen durchzuführen. Viele Menschen in Hongkong befürchten zudem, dass China Truppen in die Sonderverwaltungszone entsenden könnte.

Ausgebrannte Geschäfte, Straßenbarrikaden aus Steinen und Bambus sowie zerstörte U-Bahn-Stationen prägen seit Tagen das Bild der Millionenmetropole. Den vierten Tag in Folge versperrten Aktivisten am Donnerstag wichtige Verkehrsadern. Der Betrieb auf zahlreichen U-Bahn- und Buslinien wurde eingestellt, der Cross Harbour Tunnel, der den dicht besiedelten Stadtteil Kowloon mit dem Finanzzentrum verbindet, blieb geschlossen.

Zahlreiche Angestellte blieben erneut im Verkehrschaos stecken, Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Mehrere Krankenhäuser setzten alle nicht dringlichen Operationen aus.

Bereits am frühen Morgen setzte die Polizei in der Nähe der Polytechnischen Universität Tränengas gegen die Demonstranten ein. In einem Facebook-Beitrag warf die Polizei "Randalierern" vor, mit Pfeilen auf Polizisten geschossen zu haben. Demonstranten attackierten die Polizei auch mit Steinschleudern.

Die Demonstranten verknüpfen bei ihren Aktionen inzwischen neue Taktiken mit mittelalterlichen Methoden. So konzentrieren sie ihre Aktionen inzwischen auf Wochentage, nachdem sie lange Zeit nur an Wochenenden und an Abenden protestiert hatten. Darüber hinaus setzen sie an Barrikaden auch Holzkatapulte ein, um Molotowcocktails abzufeuern. Zudem haben sie ihr Arsenal an Waffen mit Speeren und Pfeilen aus Universitätsbeständen aufgestockt.

Nach Regierungsangaben waren am Mittwoch fast 70 Menschen mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht worden. Zwei von ihnen erlitten lebensgefährliche Verletzungen, darunter ein 70-jähriger Mann, der von einem Stein am Kopf getroffen wurde, als er eine Straßensperre entfernen wollte.

Polizei und Demonstranten bezichtigen sich gegenseitig der Gewalt. Die Protestbewegung wirft der Polizei Machtmissbrauch vor und fordert eine Untersuchung der Polizeigewalt.

Australiens Regierung mahnte beide Seiten zur Zurückhaltung. "Es ist unerlässlich, dass die Polizei verhältnismäßig auf die Proteste reagiert", forderte Außenministerin Marise Payne am Donnerstag.

Die Massenproteste in Hongkong dauern inzwischen seit sechs Monaten an. Die zunächst friedlichen Demonstrationen richteten sich anfangs gegen ein geplantes Gesetz, das erstmals auch Auslieferungen nach Festland-China ermöglicht hätte. Inzwischen richten sie sich gegen die pro-chinesische Führung in Hongkong und die Beschneidung demokratischer Freiheiten insgesamt.

(V.Korablyov--DTZ)