
Mehr als 5000 Unterzeichner fordern Rücktritt des obersten Richters Indiens

Der oberste Richter Indiens ist mit einer Rücktrittsforderung tausender Bürger konfrontiert, weil er in einem Vergewaltigungsprozess eine skandalöse "Kompromisslösung" vorgeschlagen hatte. Richter Sharad Arvind Bobde habe dem mutmaßlichen Täter nahegelegt, sein Opfer zu heiraten, und die junge Frau damit einem "Leben in der Vergewaltigung" ausgeliefert, beklagte die Frauenrechtskämpferin Vani Subramanian. Bis Mittwoch unterzeichneten mehr als 5000 Menschen die Petition für Bobdes Verzicht auf seinen Posten.
Bobde musste am Montag über einen Antrag auf Freilassung des mutmaßlichen Täters befinden, dem die Vergewaltigung einer Minderjährigen zur Last gelegt wird. Der Richter schlug dem Angeklagten vor: "Wenn Sie sie heiraten wollen, können wir Ihnen helfen - wenn nicht, verlieren Sie Ihre Arbeit und gehen ins Gefängnis." Mit diesem Vorschlag habe Bobde die Vergewaltigte, die bereits einen Suizid-Versuch unternommen habe, ihrem "Schänder" ausgeliefert, heißt es in dem offenen Brief an den Richter.
Die Missstände, die in Indien beim Thema sexuelle Gewalt herrschen, erregen verstärkte internationale Aufmerksamkeit, seitdem 2012 in einem Bus der Hauptstadt Neu Delhi mehrere Männer eine Studentin brutal vergewaltigt hatten und die junge Frau einige Tage später an den Folgen der Misshandlung starb. Opfer von sexuellen Übergriffen werden aber weiterhin von der Polizei und den Gerichten zu so genannten Kompromisslösungen ermuntert, bei denen sie ihre Peiniger heiraten sollen.
Bobde stellte bei einer weiteren Verhandlung über Vergewaltigung in der Ehe am Montag die Frage, ob dies überhaupt eine zutreffende Bezeichnung sei. Der Ehemann sei möglicherweise "brutal", aber ihm sei nicht klar, ob "sexuelle Beziehungen zwischen rechtens Verheirateten als Vergewaltigung bezeichnet werden" könnten, sagte der Richter. Vergewaltigungen in der Ehe sind in Indien nicht strafbar.
Bobdes Äußerungen ließen nicht nur "jede Form der sexuellen, physischen und geistigen Gewalt des Mannes" zu, sondern sie machten es auch zur Normalität, dass die indischen Frauen "in der Ehe ohne jede rechtliche Abhilfe Folter ausgesetzt" seien, heißt es in dem offenen Brief. Bobde äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen.
(A.Nikiforov--DTZ)