Deutsche Tageszeitung - Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz bleibt unübersichtlich

Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz bleibt unübersichtlich


Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz bleibt unübersichtlich
Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz bleibt unübersichtlich / Foto: ©

Nach der Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als hundert Toten bleibt die Lage unübersichtlich. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) gab am Freitagabend im SWR den Fund von zwei weiteren Leichen bekannt. Die Gesamtzahl der bestätigten Todesopfer in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erhöhte sich damit auf 108. Zahlreiche weitere Menschen wurden noch vermisst. Im Kreis Heinsberg mussten hunderte Menschen in Sicherheit gebracht werden, nachdem dort ein Damm brach.

Textgröße ändern:

Lewentz bezifferte die Zahl der Toten in seinem Bundesland am Freitagabend auf 65. Darunter waren zwölf Bewohner eines Behindertenwohnheims in Sinzig, die nicht mehr gerettet werden konnten und hilflos ertranken. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach von mindestens 43 Toten in seinem Bundesland.

Mit Gesamtangaben zu Vermissten hielten sich die Behörden weitgehend zurück. Im besonders betroffenen rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler war seit Donnerstagabend die Zahl der vermissten Menschen unklar. Da das Mobilfunknetz und die Telefonleitungen ausgefallen waren, gab es keine Möglichkeit der telefonischen Kontaktnachverfolgung.

Dramatische Szenen spielten sich im südlich von Köln gelegenen Erftstadt ab. Die über die Ufer getretene Erft unterspülte zahlreiche Häuser und brachte diese ganz oder teilweise zum Einsturz. Es kam zu Erosion, wodurch größere Bodenbereiche wegbrachen. Die Behörden gingen von mehreren Toten aus, konnten aber auch im Lauf des Freitags keine genauen Angaben zur Opferzahl machen.

Im Kreis Heinsberg brach am Freitagabend ein Damm. Die Ortschaft Ohe wurde vollständig evakuiert, die Evakuierung des Ort Ophovens war am späten Abend noch im Gange, wie eine Sprecherin der Kölner Bezirksregierung der Nachrichtenagentur AFP sagte. Betroffen seien 700 Menschen.

Die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten fiel zeitweise vollständig aus. Dazu kamen eine Reihe zerstörter oder nicht benutzbarer Straßen und Bahnstrecken. Im Kreis Ahrweiler riss eine Erdgasleitung, es droht ein wochenlanger Ausfall der Gasversorgung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kündigte für Samstag einen Besuch gemeinsam mit Ministerpräsident Laschet in Erftstadt an. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock machte sich nach eigenen Angaben am Freitag in Rheinland-Pfalz ein Bild der Zerstörung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plant nach Angaben aus dem Kanzleramt einen "baldigen Besuch im Katastrophengebiet".

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte nach einer Sondersitzung ihres Kabinetts, die Einschätzung ihrer Landesregierung sei inzwischen, dass die Schäden "so dramatisch" seien, "dass wir noch lange Zeit mit dem Thema zu tun haben". Sie bezeichnete die Lage als "Horror". "Da könnte man eigentlich nur noch weinen."

Laschet sprach von einer "Flutkatastrophe von historischem Ausmaß". Die Zahl der Toten übertrifft mittlerweile um ein Mehrfaches die der sogenannten Jahrhundertflut aus dem Jahr 2002, bei der in Sachsen 21 Menschen gestorben waren.

Insgesamt waren in Nordrhein-Westfalen nach Regierungsangaben 25 Städte und Landkreise von Überschwemmungen betroffen. Es werde "große finanzielle Anstrengungen brauchen", sagte Laschet. "Um die Folgen der Flut zu bewältigen, wird Deutschland solidarisch zusammenstehen müssen."

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, "das Ausmaß der Verwüstung" sei "nicht zu ermitteln". Viele Menschen hätten "alles verloren, restlos alles verloren, was sie haben".

Der Rettungseinsatz in den besonders betroffenen Gebieten lief unter Hochdruck und auch mit Unterstützung von Rettern aus anderen Bundesländern sowie der Bundeswehr. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums waren rund 850 Soldaten und Soldatinnen im Einsatz. Die Bundeswehr half den Einsatzkräften vor Ort demnach unter anderem bei Evakuierungen sowie Räumungen mit Schlauchbooten und Krankenwagen.

In Belgien rief Regierungschef Alexander De Croo für Dienstag einen nationalen Trauertag aus. Neben 20 bestätigten Todesopfern wurden 20 weitere Menschen dort noch vermisst. "Dies könnten die katastrophalsten Überschwemmungen sein, die unser Land je gesehen hat", sagte De Croo.

(W.Uljanov--DTZ)

Empfohlen

Zentralrat warnt vor weiterer Zunahme antisemitischer Angriffe

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich nach dem Anschlag auf eine Chanukka-Feierlichkeit in Australien besorgt über zunehmende antisemitische Gewalt gezeigt. "Die Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Veranstaltungen weltweit werden immer häufiger und immer tödlicher", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Sonntag in Berlin. "Den Terroristen geht es darum, unsere westliche Art zu leben und zu feiern, zu zerstören. Das dürfen wir niemals zulassen."

Russland erklärt Deutsche Welle zur "unerwünschten Organisation"

Die Staatsanwaltschaft in Russland hat den deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) als "unerwünschte Organisation" eingestuft. Dies gab die Deutsche Welle am Sonntag unter Berufung auf russische Medienberichte bekannt. Der Schritt zeige, "wie wenig das Regime von Pressefreiheit hält und wie sehr es unabhängige Informationen fürchtet", erklärte DW-Intendantin Barbara Massing. Der Sender werde sich dadurch aber nicht abschrecken lassen und weiterhin Medienangebote für Nutzer in Russland bereitstellen - unter Umgehung der Zensur.

Antisemitismusbeauftragter ruft nach Sydney-Anschlag zu Schutz auf

Nach dem Anschlag auf eine jüdische Festveranstaltung im australischen Sydney hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zu entschlossenem Schutz von Jüdinnen und Juden aufgerufen. "Dass jüdisches Leben und jüdische Festtage immer wieder zum Ziel von Terror werden, ist unerträglich", sagte Klein am Sonntag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Weder der Staat noch unsere Gesellschaft dürfen dies und seine Ursache, den Antisemitismus, unwidersprochen hinnehmen. Wir müssen jüdisches Leben schützen."

Obdachlose Frau will in Hamburger S-Bahn-Tunnel schlafen - Strecke gesperrt

Weil eine Frau in Hamburg an den S-Bahn-Gleisen in einem Tunnel entlang lief, ist die Strecke gesperrt worden. Bundespolizisten beobachteten das lebensgefährliche Verhalten der 48-Jährigen über Überwachungskameras, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Jederzeit hätte eine S-Bahn dort fahren können, die Stromschienen führten 1200 Volt.

Textgröße ändern: