Deutsche Tageszeitung - Merkel: Es kommt auf jeden Einzelnen an

Merkel: Es kommt auf jeden Einzelnen an


Merkel: Es kommt auf jeden Einzelnen an
Merkel: Es kommt auf jeden Einzelnen an / Foto: ©

Aus Sorge vor weiter steigenden Corona-Infektionszahlen im Herbst und Winter hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an alle Bürger appelliert, sich an die Schutzregeln zu halten. "Jetzt müssen wir verstehen, dass es weiter auf jeden und jede Einzelne ankommt", sagte Merkel. Sie verteidigte zudem die hohe Neuverschuldung, forderte aber zugleich eine rasche Rückkehr zu "normaler Haushaltsführung". Kritik an den Haushaltsplänen und am Vorgehen in der Corona-Krise kam von der Opposition.

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"Ich appelliere an Sie alle: Halten Sie sich an die Regeln, die für die nächste Zeit weiter gelten müssen", sagte Merkel am Mittwoch in einer zum Teil emotionalen Rede bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt. Alle müssten "geduldig und vernünftig" sein.

Die Vorsicht lasse derzeit nach, alle sehnten sich nach mehr Unbeschwertheit - "das spüre ich selbst", sagte die Kanzlerin. Aber "wir riskieren alles, was wir in letzten Monaten erreicht haben". Alle wollten einen erneuten landesweiten Shutdown verhindern - "und das können wir auch". Jetzt müssten jedoch alle Menschen wieder achtsam sein - Herbst und Winter würden eine Langstrecke. Bund und Länder hatten sich am Dienstag angesichts steigender Infektionszahlen auf strenge Corona-Auflagen für private Feiern und in Restaurants geeinigt.

Angesichts der hohen Neuverschuldung infolge der Corona-Krise mahnte Merkel eine rasche Rückkehr zu den Vorgaben der Schuldenbremse an. "Wir müssen so schnell wie möglich wieder zu einer normalen und verfassungsgerechten Haushaltsführung zurückkehren", sagte die Kanzlerin. In der gegenwärtigen Lage sei die hohe Schuldenaufnahme aber "das Richtige".

Der Etatentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für 2021 sieht 96,2 Milliarden Euro an neuen Schulden vor. Für das laufende Jahr hatte sich Scholz mit zwei Nachtragshaushalten bereits die Möglichkeit gesichert, 218,5 Milliarden Euro an frischen Krediten aufzunehmen. Dafür wurde die in der Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse ausgesetzt, welche der staatlichen Neuverschuldung Grenzen setzt.

Zum Teil heftige Kritik kam von der Opposition. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bezeichnete den Etatentwurf als "Dokument der unverantwortlichen Sorglosigkeit". Die Koalition nutze die Krise, "um den Zug umso schneller über falsch gestellte Weichen zu jagen".

FDP-Chef Christian Lindner forderte von der Bundesregierung konkretere Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und eine baldige Rückkehr zur Haushaltsdisziplin. Neue Schulden zu machen, sei in der großen Koalition zu einer "Staatsphilosophie" geworden.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wiederum bescheinigte der Corona-Politik der Bundesregierung eine soziale Schieflage. "Das Land wird nach der Krise noch tiefer gespalten sein", sagte Bartsch. Ausdrücklich unterstützte er den Appell Merkels, sich weiter an die Corona-Auflagen zu halten.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rief zur Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen auf. Entscheidend sei, dass die Bürger weiter so gut mitmachten, sagte Hofreiter. Er mahnte zugleich weitere Anstrengungen von Bund und Ländern an. Er wünsche sich mehr Gemeinsamkeit und mehr Vorausplanung.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigte die mit einer hohen Neuverschuldung verbundene Corona-Politik der Bundesregierung. "Wir nehmen Geld in die Hand für Solidarität und Sicherheit", sagte Mützenich. Die Menschen bräuchten in der "existenziellen Krise" Zuversicht.

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigte das Vorgehen. "Schulden sind kein Selbstzweck, wir wollen Chancen schaffen", sagte Dobrindt.

(V.Korablyov--DTZ)

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