Deutsche Tageszeitung - Vier Rechtsextremismus-Verdachtsfälle bei Verfassungsschutz in NRW

Vier Rechtsextremismus-Verdachtsfälle bei Verfassungsschutz in NRW


Vier Rechtsextremismus-Verdachtsfälle bei Verfassungsschutz in NRW
Vier Rechtsextremismus-Verdachtsfälle bei Verfassungsschutz in NRW / Foto: ©

Der Skandal um rechtsextremes Gedankengut in deutschen Sicherheitsbehörden weitet sich aus. Nach Vorwürfen gegen Beamte in anderen Bundesländern wurde auch bei der Berliner Polizei eine rassistische Chatgruppe bekannt, wie das ARD-Magazin "Monitor" am Donnerstag berichtete. In Nordrhein-Westfalen bestätigte das Innenministerium am selben Tag vier Verdachtsfälle in der Abteilung für Verfassungsschutz und in der Polizeiabteilung.

Textgröße ändern:

In der Berliner Chatgruppe sollen laut "Monitor" auch offen Sympathien für Neonazis geäußert worden sein. Diese seien als "Verbündete" gegen linksgerichtete Demonstranten eingestuft worden. Zudem seien Muslime als "fanatische Primatenkultur" bezeichnet sowie Flüchtlinge mit "Vergewaltigern" oder "Ratten" gleichgesetzt worden. An dem Chat beteiligt seien über Jahre hinweg mehr als 25 Beamte einer Dienstgruppe der Berliner Polizei gewesen, sieben Beamte hätten sich dabei besonders mit extremistischen Äußerungen hervorgetan.

"Wir kommunizieren stets offen und transparent, wann immer es Rassistinnen und Rassisten in der Polizei Berlin gibt", erklärte die Behörde daraufhin in einer Stellungnahme. Es sei "unerträglich", dass sich Kollegen "aufgrund ihrer Herkunft über andere erheben und den Ruf eines ganzen Berufsstandes schädigen". Ein Strafverfahren sei bereits eingeleitet.

Über die vier Verdachtsfälle im nordrhein-westfälischen Innenministerium hatte Innenminister Herbert Reul (CDU) den Landtag bereits in der vergangenen Woche informiert. Am Donnerstag bestätigte er bei einer Pressekonferenz, dass es sich bei drei Verdächtigen um Polizeibeamte aus einer Observationsgruppe des Verfassungsschutzes handelt. Der vierte Verdachtsfall sei in der Polizeiabteilung aufgetreten.

Reul kündigte an, jedem Verdachtsfall "in aller Konsequenz" nachzugehen. "Wir dulden keine rechten Umtriebe", sagte der NRW-Innenminister. "Wer gegen Flüchtlinge, wer gegen Ausländer, wer gegen Juden wettert, fliegt raus." Je genauer man hinsehe, desto mehr Fälle kämen wahrscheinlich auch ans Tageslicht. Dennoch stünden die meisten Polizisten "fest auf dem Boden der Verfassung". Der Hinweis auf die Verdachtsfälle sei im November 2019 aus den eigenen Reihen gekommen.

Laut Ministerium hatten die Mitarbeiter der Observationsgruppe unter anderem islamfeindliche Videos verbreitet. Das Mitglied der Polizeiabteilung soll auf Facebook Kontakt zu Rechtsextremen gehabt haben. Drei Mitarbeiter des Ministeriums seien mittlerweile versetzt oder mit anderen Aufgaben betraut worden. In einem Fall gebe es ein Dienstverbot. Das Observationsteam, das unter anderem mit der Beobachtung von Rechtsextremen beauftragt war, sei aufgelöst.

In Bielefeld steht ein Polizeihauptkommissar im Verdacht, rechtsextremistische Inhalte in einer privaten Chatgruppe verbreitet zu haben, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Die Wohnung und der Arbeitsplatz des Polizisten seien am Mittwoch durchsucht worden. Strafrechtliche und dienstrechtliche Maßnahmen gegen die 50 weiteren Mitglieder der Chatgruppe würden geprüft.

In den vergangenen Wochen hatten sich die Rechtsextremismusvorwürfe gegen deutsche Polizisten gehäuft. In Mülheim an der Ruhr wurden Mitte September 30 Beamte des Polizeipräsidiums Essen wegen rechtsextremistischer Hetze in privaten Chatgruppen vom Dienst suspendiert. Bei der Leipziger Polizei wurde in der vergangenen Woche ein Verdachtsfall bekannt.

Bereits seit August 2018 verschicken zudem Unbekannte unter dem Pseudonym "NSU 2.0" Drohschreiben. Das Kürzel erinnert an die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Immer wieder weisen auch in diesem Fall Spuren zur Polizei selbst.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte indes seinen Kurs bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. "Wir klären auf, wir vertuschen nichts, wir verfolgen rigoros", sagte er in der Haushaltsdebatte des Bundestags. Seehofer war in die Kritik geraten, weil er sich gegen eine wissenschaftliche Studie zu Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei sträubt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt laut einem als vertraulich eingestuften Bericht über 350 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde. Im Oktober soll das BfV einen entsprechenden Lagebericht vorlegen.

(U.Stolizkaya--DTZ)

Empfohlen

Mindestens ein Toter bei heftigen russischen Luftangriffen auf Kiew und Odessa

Die russische Armee hat die Ukraine in der Nacht zu Dienstag erneut mit heftigen Luftangriffen überzogen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach am frühen Dienstagmorgen im Onlinedienst Telegram von einem anhaltenden "massiven Angriff auf die Hauptstadt" und rief die Einwohner von Kiew auf, in den Schutzräumen zu bleiben. Aus Odessa wurden mindestens ein Toter und vier Verletzte gemeldet. Der ukrainische Präsidialbüroleiter Andrij Jermak forderte nach den Angriffen weitere Sanktionen gegen Russland.

Israel: Thunberg und weitere Gazaschiff-Aktivisten auf dem Weg nach Hause

Nach dem Stopp ihres Gaza-Segelschiffs durch israelische Behörden sind die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihre Begleiter nach israelischen Angaben auf dem Rückweg in ihre jeweiligen Heimatländer. "Die Passagiere der 'Selfie-Yacht' sind am Ben-Gurion-Flughafen angekommen, um Israel zu verlassen und in ihre Heimatländer zurückzukehren", teilte das israelische Außenministerium am Dienstag im Onlinedienst X mit. Diejenigen, die sich weigerten, die Dokumente zu ihrer Abschiebung zu unterzeichnen und Israel zu verlassen, würden einer Justizbehörde vorgeführt.

Trump entsendet zusätzliche Nationalgardisten und Soldaten nach Los Angeles

Beispiellose Machtdemonstration: Vier Tage nach dem Beginn gewaltsamer Ausschreitungen in Los Angeles im Zuge der Abschiebung von Migranten hat Präsident Donald Trump den Konflikt mit den örtlichen Behörden im Bundesstaat Kalifornien verschärft. Am Montag (Ortszeit) ordnete Trump nach Angaben des Pentagon die Entsendung weiterer 2000 Mitglieder der Nationalgarde in die kalifornische Metropole an. Zuvor hatte er bereits 700 Soldaten nach Los Angeles beordert. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom warf Trump vor, "Chaos" zu säen.

Merz empfängt geschäftsführenden niederländischen Regierungschef Schoof

Eine Woche nach dem Bruch der Regierungskoalition in den Niederlanden empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Dienstag den geschäftsführenden niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof. Merz trifft Schoof am frühen Dienstagnachmittag im Kanzleramt in Berlin, eine gemeinsame Pressekonferenz ist für 16.30 Uhr geplant. Nach Angaben der Bundesregierung stehen Gespräche über die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern sowie weitere europapolitische und internationale Fragen auf dem Programm.

Textgröße ändern: