Deutsche Tageszeitung - Spahn: Dritte Corona-Welle durch Impfungen nicht mehr zu brechen

Spahn: Dritte Corona-Welle durch Impfungen nicht mehr zu brechen


Spahn: Dritte Corona-Welle durch Impfungen nicht mehr zu brechen
Spahn: Dritte Corona-Welle durch Impfungen nicht mehr zu brechen / Foto: ©

Die dritte Corona-Infektionswelle hat Deutschland erreicht - und ist nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch durch Impfungen nicht mehr zu brechen. "Es gibt in Europa noch nicht genug Impfstoff, um die dritte Welle allein durch Impfungen zu stoppen", sagte Spahn am Freitag in Berlin. Der Minister forderte, in Deutschland bereits vor dem bislang anvisierten Datum 19. April mit Corona-Impfungen in Hausarztpraxen zu beginnen.

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Erfreut zeigte sich Spahn über die Wiederaufnahme der Impfungen mit dem Präparat Astrazeneca. An der gegenwärtigen Situation mit deutlich steigenden Infektionszahlen ändere dies aber nichts - und das Land werde möglicherweise wieder in einen schärferen Lockdown gehen müssen: Zu diesem nüchternen Fazit kamen übereinstimmend auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Spahn, der SPD-Gesundheitsexperte Karl-Lauterbach und der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade. Die zur Verfügung stehenden Mittel wie Impfungen und Schnelltests reichten derzeit nicht aus, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen.

Die für Montag geplante Corona-Spitzenrunde aus Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten werde womöglich "keine weiteren Öffnungsschritte vornehmen können - im Gegenteil, vielleicht sogar Schritte rückwärts gehen müssen", sagte Spahn. Die kommenden Wochen könnten - gerade auch angesichts der "Sehnsucht" vieler Menschen nach Lockerungen - "sehr sehr schwer" werden.

Der SPD-Politiker Lauterbach forderte eine umgehende Rückkehr in einen scharfen Lockdown - andernfalls käme der Lockdown "später, wird aber länger dauern". Lauterbach sprach von einer "sehr prekären Situation". Die gegenwärtige Entwicklung bedeute eine Verdoppelung der Fallzahlen alle zehn bis 14 Tage.

RKI-Vizechef Schaade bezeichnete das Infektionsgeschehen als "ganz deutlich exponentiell". Schaade rief zur Beachtung der Corona-Schutzvorschriften auf und riet dazu, auf Reisen zu verzichten und die Ostertage "nur im engsten Kreis" zu verbringen. Die beschleunigte Ausbreitung der Infektionen sei vor allem af die hoch infektiöse britische Virusmutante zurückzuführen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief derweil zu "mehr Pragmatismus" in der Impfpolitik auf. Das Land verbrauche "viel Kraft auf der Suche nach dem Schuldigen des Tages", sagte Steinmeier bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin. Diese Kraft brauche die Gesellschaft derzeit dringender "an anderer Stelle". "Denn jetzt hilft doch nur eines: mehr und schneller impfen - mit allen Mitteln, die wir haben."

Am Freitagnachmittag wollen Merkel und die Länderchefs über eine Beschleunigung der Impfkampagne sprechen. Im Mittelpunkt steht dabei der geplante Start der Impfungen in Hausarztpraxen, durch die schneller mehr Menschen erreicht werden sollen als bislang.

"Ich hätte nichts dagegen, wenn wir früher in den Hausarztpraxen beginnen könnten", sagte Spahn. Bislang ist von den Ländern geplant, dass die Hausärzte spätestens ab 19. April großflächig in die Corona-Impfungen einbezogen werden sollen.

Spahn warnte davor, anfangs zu große Hoffnungen in die Impfungen beim Arzt zu setzen - insbesondere wegen des anhaltenden Mangels an Impfstoffen. Im April würden die Praxen wohl nur eine Impfsprechstunde pro Woche abhalten können, pro Woche und Praxis könnten möglicherweise nur 20 bis 30 Dosen geliefert werden. Die Ärzte sollten dann selbst jene Patienten einladen, bei denen sie eine Impfung für am dringlichsten hielten, sagte Spahn.

Spahn sprach sich in der Pressekonferenz für zügige Vereinbarungen zum möglichen Erwerb des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V aus - notfalls auch im nationalen Alleingang ohne europäische Partner. Er könne sich "vorstellen, dass wir Verträge zügig abschließen", sagte der Minister. Sein Ministerium sei "in engem Austausch" mit den russischen Stellen, dabei gehe es auch um eine vorvertragliche Absichtserklärung.

(A.Nikiforov--DTZ)

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