Deutsche Tageszeitung - Erst Lockerungen, dann Notbremse: Rufe nach härteren Corona-Regeln werden lauter

Erst Lockerungen, dann Notbremse: Rufe nach härteren Corona-Regeln werden lauter


Erst Lockerungen, dann Notbremse: Rufe nach härteren Corona-Regeln werden lauter
Erst Lockerungen, dann Notbremse: Rufe nach härteren Corona-Regeln werden lauter / Foto: ©

Erst vor zwei Wochen sind in Deutschland einige der Corona-Beschränkungen gelockert worden - nun müssen sich die Menschen wieder auf schärfere Regeln einstellen. Angesichts der steigenden Fallzahlen und des schleppenden Fortgangs der Impfkampagne forderten Politiker und Ärztevertreter am Samstag die Spitzen von Bund und Ländern auf, bei ihren Beratungen am Montag die Notbremse zu ziehen und die jüngsten Lockerungen zurückzunehmen. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert erreichte inzwischen fast die Schwelle von 100 - Tendenz weiter steigend.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag: "Weitere Öffnungen ergeben angesichts der erneut steigenden Infektionen keinen Sinn. Die Notbremse muss für alle gelten, und zwar konsequent." Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte den RND-Zeitungen mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am Montag: "Es ist schon jetzt klar, dass es grundsätzlich bei den jetzigen Beschränkungen bleiben muss." Auch er rief nach der Notbremse.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schloss weitere Lockerungen aus. "Die dritte Welle hat begonnen, da braucht man nicht drum herum zu reden", sagte Kretschmer der "Welt". "Die Welle, die sich gerade auftürmt, müssen wir brechen."

Einen anderen Weg will die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) einschlagen: Sie will trotz deutschlandweit steigender Infektionszahlen bestimmte Lockerungen in ihrem Land ermöglichen. Ab Montag werde die Außengastronomie mit einem "Sicherheitsmechanismus" geöffnet, erklärte Dreyer. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 werde die "Notbremse" gezogen.

SPD-Chefin Saskia Esken stimmte die Bürger auf ein Osterfest im Lockdown ein. Es sei "hoch verantwortungsvoll, wenn jetzt in Bundesländern mit hohen und stark steigenden Inzidenzen Lockerungen infrage gestellt und sogar zurückgenommen werden", sagte sie am Samstag den Funke-Zeitungen.

Dem Notbremsen-Mechanismus liegt ein konkreter Beschluss Merkels und der Länderchefs vom 3. März zugrunde: Steigt die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100, wird die Bremse gezogen. Dann müssen Lockerungen zurückgenommen und Kontakte wieder beschränkt werden.

In vielen Regionen müsste die Notbremse längst gezogen werden, weil die Inzidenz über 100 gestiegen ist. Bundesweit stieg die Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert-Koch-Institut vom Samstag auf 99,9. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Freitagabend gefordert, von der Notbremse "Gebrauch zu machen".

Der Forderung nach strengeren Corona-Auflagen schlossen sich auch Ärztevertreter an. Sie übten dabei Kritik an dem langsamen Verlauf der Impfkampagne. Die Chefin der Ärzteorganisation Marburger Bund, Susanne Johna, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Es muss definitiv die vereinbarte Notbremse gezogen werden, da darf es keine Ausnahmen geben." Sie warnte vor einer dramatischen Zuspitzung der Corona-Lage. "Ich rechne ab Ostern mit einer noch kritischeren Lage als zum Jahreswechsel." Die Kapazitäten auf den Intensivstationen würden dann "rasant wegschmelzen".

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, kritisierte den Beschluss von Bund und Ländern, die Arztpraxen ab Anfang April zunächst nur mit wenigen Impfdosen zu beliefern. "Die Praxen dürfen nicht zur Resterampe werden, wenn bei den Impfzentren was übrig ist", sagte er der "Bild".

Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sieht die Beschlüsse des Impfgipfels kritisch. "An der grundlegenden Situation ändert der Beschluss nichts. Wir impfen weiter in Slow Motion", sagte Gassen dem Wirtschaftsmagazin "Business Insider".

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hingegen forderte von der Bundesregierung einen Strategiewechsel in der Corona-Politik. "Die sture Fixierung auf die Inzidenzen ist falsch", sagte Dulger der "Welt". Eine stärkere Öffnung des Wirtschaftslebens sei dringend nötig, "denn wir sind jetzt an einem Wendepunkt, wo vielen Betrieben die Puste ausgeht". Der Schlüssel liege im Impfen und Testen.

(W.Novokshonov--DTZ)

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