Deutsche Tageszeitung - Kolumbiens Präsident schickt Militär in drittgrößte Stadt Cali

Kolumbiens Präsident schickt Militär in drittgrößte Stadt Cali


Kolumbiens Präsident schickt Militär in drittgrößte Stadt Cali
Kolumbiens Präsident schickt Militär in drittgrößte Stadt Cali / Foto: ©

Auch einen Monat nach Beginn der massiven Proteste in Kolumbien ist eine friedliche Lösung nicht in Sicht. Nach dem Tod von mindestens drei weiteren Menschen ordnete Präsident Iván Duque am Freitag den Einsatz der Armee in der drittgrößten Stadt Cali an, dem Epizentrum der Proteste. Unterdessen wächst die Kritik an der zunehmenden Polizeigewalt gegen Demonstranten.

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Präsident Duque kündigte nach einem Sicherheitstreffen in Cali die Entsendung eines militärischen Großaufgebots an. Ab dem Abend werde die Polizei dort "maximal" von der Armee unterstützt, erklärte der konservative Staatschef. Zuvor waren bei erneuten Protesten in Cali mindestens drei Menschen getötet worden.

Ein Vertreter der örtlichen Staatsanwaltschaft sagte, einer ihrer Ermittler habe auf die Menge geschossen und dabei einen Zivilisten getötet, bevor er von Demonstranten gelyncht worden sei. Auf Videoaufnahmen war ein Mann in einer Blutlache zu sehen, während ein zweiter Mann in der Nähe seine Waffe hielt und dann von einer Menschenmenge angegriffen wurde. Laut Staatsanwaltschaft war der Ermittler bei dem Vorfall nicht im Dienst.

Seit Beginn der Protestbewegung vor einem Monat wurden nach Behördenangaben 49 Menschen getötet, darunter zwei Polizisten. Mehr als 120 Menschen werden seit Beginn der Proteste vermisst, hinzu kommen etwa 2000 Verletzte. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht von mehr als 60 Toten.

Menschenrechtler werfen den kolumbianischen Sicherheitskräften unverhältnismäßige Gewalt gegen die Demonstranten vor. Die Situation in der 2,2 Millionen Einwohner zählenden Stadt Cali sei inzwischen "sehr ernst", erklärte der Amerika-Direktor von Human Rights Watch, José Miguel Vivanco. Er forderte von Präsident Duque Sofortmaßnahmen zur Entschärfung der Lage. Unter anderem müsse Staatsvertretern der Einsatz von Schusswaffen verboten werden.

Das Auswärtige Amt in Berlin gab eine bedingte Reisewarnung für Kolumbien aus. Die landesweiten Proteste seien "teilweise mit massiv gewalttätigen Ausschreitungen verbunden". Weitere Eskalationen seien nicht auszuschließen, ein Ende der Unruhen sei bisher nicht absehbar.

In dem südamerikanischen Land gehen seit vier Wochen immer wieder tausende Menschen aus Wut über die Regierungspolitik auf die Straße. Die Demonstranten fordern bessere Arbeitsbedingungen, eine Reform des Rentensystems, einen besseren Schutz von Menschenrechtsaktivisten und die vollständige Umsetzung des Friedensabkommens mit der Rebellengruppe Farc. Die Proteste sind die blutigsten seit dem Friedensabkommen im Jahr 2016.

Bereits 2019 hatte es große Proteste vor allem junger Menschen gegen Duque gegeben. Während der Corona-Pandemie kamen sie zunächst zum Erliegen. Die wirtschaftliche Situation vieler Kolumbianer hat sich während der Pandemie noch verschärft: 42,5 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze.

Bei der Armutsbekämpfung sei "mindestens ein Jahrzehnt verloren" gegangen, sagt die Politologin Sandra Borda. "Es gibt einen aktiven Teil der Gesellschaft, der seit langem von der Politik, der Arbeitswelt und dem Bildungssystem ausgeschlossen ist und der dies nun satt hat." Die Demonstranten repräsentierten diesen Teil der Bevölkerung.

Die Gewalt bei den Protesten war auch Thema eines Treffens von US-Außenminister Antony Blinken mit der kolumbianischen Vizepräsidentin Marta Lucía Ramírez am Freitag in Washington. Nach Angaben seines Sprechers gab Blinken bei dem Treffen seine "Besorgnis" für die Todesfälle während der Proteste zum Ausdruck. Auch habe er das "unbestreitbare Recht der Bürger auf friedlichen Protest" hervorgehoben.

(S.A.Dudajev--DTZ)

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