Deutsche Tageszeitung - Warnungen vor Rechtsextremismus bei Gedenken an Breivik-Opfer in Norwegen

Warnungen vor Rechtsextremismus bei Gedenken an Breivik-Opfer in Norwegen


Warnungen vor Rechtsextremismus bei Gedenken an Breivik-Opfer in Norwegen
Warnungen vor Rechtsextremismus bei Gedenken an Breivik-Opfer in Norwegen / Foto: ©

Norwegen hat der Opfer der Anschläge des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik in Oslo und Utöya vor zehn Jahren gedacht. Zur Erinnerung an die 77 Toten läuteten am Donnerstagmittag im ganzen Land die Kirchenglocken. Ministerpräsidentin Erna Solberg mahnte bei einer Zeremonie in Oslo zu einem entschlossenen Kampf gegen Intoleranz. Überlebende der Anschläge warnten vor der anhaltenden Gefahr durch Rassismus und Rechtsextremismus.

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"Wir dürfen den Hass nicht unbeantwortet lassen", sagte Solberg vor Überlebenden und Opfer-Angehörigen. Die Regierungschefin betonte, dass seit den Anschlägen viel unternommen worden sei, um den Kampf der Sicherheitsbehörden gegen jede Form von Extremismus zu stärken. Am wichtigsten sei aber, dass jeder und jede Einzelne ein inneres "Bollwerk gegen Intoleranz und Hassrede" aufbaue. Eine weitere Gedenkveranstaltung sollte am Nachmittag auf der Insel Utöya stattfinden.

Breivik hatte am 22. Juli 2011 im Regierungsviertel von Oslo acht Menschen mit einer Bombe getötet. Danach setzte er auf die kleine Insel Utöya über und erschoss dort 69 Menschen, die meisten von ihnen Teilnehmer eines von der Arbeiterpartei organisierten Sommercamps für Jugendliche.

Die meisten der Opfer des Attentats auf der Insel Utöya waren jünger als 20 Jahre, das jüngste erst 14. Dutzende weitere Menschen wurden verletzt und erlitten Traumata. Die blutigsten Anschläge in der modernen Geschichte Norwegens lösten in dem skandinavischen Land und international Entsetzen aus. Breivik, der zum Zeitpunkt der Tat 32 Jahre alt war, wurde 2012 zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

Bei einer Gedenkfeier in der Kathedrale von Oslo sprach auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der zum Zeitpunkt der Anschläge norwegischer Ministerpräsident gewesen war. "Vor zehn Jahren sind wir dem Hass mit Liebe begegnet", sagte Stoltenberg. "Aber der Hass ist immer noch da."

Kurz nach den Anschlägen hatte Stoltenberg "mehr Demokratie" und "mehr Menschlichkeit" angekündigt. Überlebende beklagen aber, dass über die von Rechtsradikalen ausgehende Gefahr in Norwegen nach weiterhin nicht ausreichend gesprochen wird.

Erst vergangene Woche war eine Gedenkstätte für den von Neonazis ermordeten Benjamin Hermansen in Oslo mit den Worten "Breivik hatte recht" beschmiert worden. Stoltenberg erinnerte in seiner Gedenkrede auch an den vereitelten Anschlag des Rassisten Philip Manshaus auf eine Moschee am Stadtrand von Oslo. Manshaus hatte vor dem Angriff auf die Moschee seine asiatischstämmige Stiefschwester getötet.

Die Überlebende des Utöya-Attentats und heutige Vorsitzende der Jugendorganisation der Arbeiterpartei (AUF), Astrid Eide Hoem, sagte bei der Gedenkveranstaltung, der "tödliche Rassismus und der Rechtsextremismus" seien noch immer lebendig und "in der Mitte" der Gesellschaft verankert. "Sie sind lebendig im Internet, sie sind lebendig abends am Esstisch, sie sind lebhaft in Menschen, denen viele andere zuhören", sagte sie.

"Wir müssen jetzt und für alle Zeiten sagen, dass wir Rassismus nicht akzeptieren, dass wir den Hass nicht akzeptieren", forderte Hoem.

Erkenntnisse des norwegischen Geheimdienstes PST stützen Hoems Thesen. In einer in dieser Woche veröffentlichten PST-Analyse heißt es, dass "rechtsradikale Ideen, die (Breiviks) Anschlag inspirierten, nach wie vor eine treibende Kraft für Rechtsextremisten im In- und Ausland" seien. Breivik habe in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe weiterer Extremisten animiert, darunter den Attentäter bei den Anschlägen auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch mit 51 Toten.

In einem Interview der Nachrichtenagentur AFP berichtete Hoem, dass sie bis heute mit der Erinnerung an den Anschlag kämpfe. "Ich habe Schlafprobleme, ich habe Angst, und ich glaube, dass ich damit für den Rest meines Lebens leben muss." Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge litt im vergangenen Jahr noch ein Drittel der Überlebenden von Utöya an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Angst, Kopfschmerzen oder Depressionen.

(W.Novokshonov--DTZ)

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