
Spanien: Katalanischer Regionalpräsident stimmt trotz Polizeisperre ab

Trotz eines massiven Polizeiaufgebots vor seinem Wahllokal hat der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont seine Stimme beim umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum abgegeben. Puigdemont habe nicht in Girona, sondern in einem anderen Wahllokal in Cornella del Terri abgestimmt, erklärte die katalanische Regionalregierung am Sonntag im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Zuvor hatten spanische Polizeieinheiten Puigdemonts Wahllokal in Girona abgeriegelt und waren gewaltsam in das Gebäude eingedrungen.
Die spanische Zentralregierung sieht die Volksabstimmung in der nach Unabhängigkeit strebenden Region als illegal an und will sie mit allen Mitteln verhindern. Am Sonntagmorgen hatte die Polizei in der katalanischen Hauptstadt Barcelona bereits Wahlurnen und Stimmzettel beschlagnahmt, wie das Innenministerium in Madrid mitteilte. In Girona drangen Polizisten gewaltsam in die als Wahllokal genutzte Sporthalle ein, in der Puigdemont seine Stimme abgeben sollte. Behelmte Polizisten mit Schutzausrüstung schlugen die gläserne Eingangstür ein.
Um der Polizei den Zutritt zu versperren, hatte sich am frühen Morgen in zahlreichen Städten und Dörfern hunderte Menschen vor den Wahllokalen versammelt. Vor mehreren Wahllokalen kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Nach Angaben des Innenministeriums hatte die Polizei am Samstag mehr als die Hälfte der rund 2300 Wahllokale geschlossen. Schüler, Lehrer, Eltern und Aktivisten hielten jedoch dutzende Schulen besetzt, um diese als Abstimmungslokale nutzen zu können.
Katalonien mit seinen etwa 7,5 Millionen Einwohnern ist etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und kommt für knapp ein Fünftel des spanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf. In der wohlhabenden Region im Nordosten Spaniens, in der eine eigene Sprache gesprochen wird, gibt es seit Jahrzehnten Bestrebungen, sich von Spanien loszulösen.
In den Umfragen liegen die Gegner einer Unabhängigkeit zumeist deutlich vorn; allerdings pocht die Mehrheit der Katalanen auf ihr Recht, ein solches Referendum abhalten zu dürfen. Madrids verschärfte Gangart brachte in den vergangenen Tagen in Barcelona und anderen Städten hunderttausende empörte Katalanen auf die Straße. (P.Tomczyk--DTZ)