Deutsche Tageszeitung - Krise um Katalonien treibt Menschen in ganz Spanien auf die Straßen

Krise um Katalonien treibt Menschen in ganz Spanien auf die Straßen


Krise um Katalonien treibt Menschen in ganz Spanien auf die Straßen
Krise um Katalonien treibt Menschen in ganz Spanien auf die Straßen / Foto: ©

Die Krise um das katalanische Unabhängigkeitsreferendum treibt die Menschen in ganz Spanien auf die Straßen: In zahlreichen Städten wollen Befürworter und Gegner der Abspaltung Kataloniens vom Zentralstaat am Wochenende demonstrieren. Die Anhänger eines Dialogs zwischen Madrid und Barcelona sind aufgerufen, sich am Samstag vor den Rathäusern des Landes zu versammeln. Das katalanische Regionalparlament könnte am Dienstag die Unabhängigkeit von Spanien ausrufen.

Textgröße ändern:

Angesichts der Konfrontation und Kompromisslosigkeit zwischen Madrid und Barcelona fand ein anonymer Aufruf zum Dialog immer mehr Anhänger: Bis Samstagfrüh hatten bereits 9000 Menschen die im Internet von Change.org veröffentlichte Petition unterschrieben. "Spanien ist besser als seine politischen Führer", heißt es dort. Alle Spanier sind aufgerufen, am Samstagmittag weiß gekleidet vor die Rathäuser zu ziehen und weiße Tücher von ihren Balkons zu hängen.

Zur gleichen Zeit soll ein "patriotischer Marsch" der Anhänger eines ungeteilten Spaniens im Zentrum von Madrid stattfinden. In Barcelona will Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa am Sonntag an einer ähnlichen Demonstration teilnehmen; er hatte das katalanischen Unabhängigkeitsstreben als "Krankheit" verurteilt und vor einem "neuen Bosnien" gewarnt.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), warnt seinerseits vor einer neuen Eurokrise durch Katalonien. Weber sagte der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe), die politische Auseinandersetzung um Katalonien könne "zu einem europäischen Flächenbrand werden". Er hob hervor: "Auch eine neue Eurokrise ist nicht auszuschließen, wenn die katalanische Regionalregierung den Konflikt weiter eskalieren lässt." Er forderte Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona.

Die Zentralregierung hatte am vergangenen Wochenende mit einem großen Polizeiaufgebot versucht, das von der Justiz für rechtswidrig erklärte Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens zu verhindern. Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen mit Schlagstöcken und Gummigeschossen an der Stimmabgabe. Erst am Freitag entschuldigte sich ein Vertreter Madrids für die Polizeigewalt - hunderte Menschen waren verletzt worden.

Bei dem Referendum stimmten 90 Prozent der Teilnehmer für eine Abspaltung von Spanien, die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent. Die Region könnte nun in den nächsten Tagen ihre Unabhängigkeit von Spanien erklären.

Regionalpräsident Carles Puigdemont verschob seinen Auftritt vor dem katalanischen Parlament auf Dienstag. Eine für Montag geplante Parlamentssitzung war von der spanischen Justiz verboten worden, um eine Ausrufung der Unabhängigkeit zu verhindern. Nun ist die neue Parlamentssitzung am Dienstagabend (18.00 Uhr) vorgesehen. Auf der Tagesordnung steht lediglich: "Politische Lage".

Angesichts der Ankündigung mehrerer Banken und Firmen, ihren Sitz aus Katalonien wegzuverlegen, trat der für Unternehmen in der katalanischen Regierung zuständige Santi Vila allerdings auf die Bremse. Der als Vertrauter von Puigdemont geltende Vila forderte einen "Waffenstillstand" mit Madrid und fügte hinzu: "Das bedeutet, dass wir in den nächsten Stunden und Tagen keine Entscheidungen treffen werden, die irreparabel sein könnten."

(P.Tomczyk--DTZ)

Empfohlen

Keine Einigung zu Sanktionspaket gegen Russland - EU-Außenbeauftragte enttäuscht

Die Einigung auf ein neues Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland ist am Dienstag erneut am Veto der Slowakei gescheitert. "Ich bin wirklich traurig, dass wir diese Einigung heute nicht erreicht haben", sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Angesichts des geplanten Kaufs von US-Waffen für die Ukraine durch europäische Staaten forderte Kallas, die USA sollten "die Last teilen".

Wegen Datenlecks: Britische Regierung enthüllt Aufnahme tausender afghanischer Ortskräfte

Die britische Regierung hat öffentlich gemacht, dass sie wegen einer Panne mit persönlichen Daten afghanischer Ortskräfte in den vergangenen Jahren tausenden Afghanen Asyl gewährt hat. Wegen des Datenlecks im Jahr 2022 seien im Rahmen eines geheimen Programms insgesamt 900 afghanische Ortskräfte und 3600 ihrer Familienangehörigen aufgenommen worden, verkündete Verteidigungsminister John Healey am Dienstag im britischen Unterhaus. Ein britisches Gericht hatte demnach bislang verboten, das Programm öffentlich zu machen.

Staatsanwaltschaft in Brasilien fordert Verurteilung von Bolsonaro wegen Putschversuchs

Die brasilianische Staatsanwaltschaft hat die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro und sieben weiterer Beschuldigter wegen Putschversuchs gefordert. Sie hätten versucht, "die demokratische Ordnung gewaltsam zu stürzen", und seien zudem der Beteiligung an einer "bewaffneten kriminellen Vereinigung" schuldig, erklärte die Staatsanwaltschaft am Dienstag.

Brosius-Gersdorf wehrt sich gegen Kritik - Merz will in Ruhe nach Lösung suchen

Die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf wehrt sich nach der gescheiterten Verfassungsrichterwahl gegen Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden. Diese Vorwürfe seien "diffamierend" und "falsch", schrieb die von der SPD nominierte Richterkandidatin in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Darin kritisiert Brosius-Gersdorf auch die Berichterstattung über sie als "unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent". Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, die Koalition werde nun "in Ruhe" über das weitere Vorgehen bei der Richterwahl beraten.

Textgröße ändern: