Deutsche Tageszeitung - Koalition verzichtet auf Zuständigkeitswechsel für Jugendliche bei Sozialleistungen

Koalition verzichtet auf Zuständigkeitswechsel für Jugendliche bei Sozialleistungen


Koalition verzichtet auf Zuständigkeitswechsel für Jugendliche bei Sozialleistungen
Koalition verzichtet auf Zuständigkeitswechsel für Jugendliche bei Sozialleistungen / Foto: © AFP/Archiv

Die Ampel-Koalition will auf den umstrittenen Wechsel der Zuständigkeit für Menschen unter 25 Jahren bei Sozialleistungen von der Grundsicherung zur Bundesagentur für Arbeit (BA) verzichten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) habe auf Wunsch der SPD-Bundestagsfraktion "eine gangbare Alternative" vorgelegt, erklärte der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Martin Rosemann, am Donnerstag in Berlin. Dies wurde aus Regierungskreisen bestätigt.

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Laut diesem Vorschlag sollten nun Aufgaben der Weiterbildung und der Rehabilitation auf die BA übertragen werden, hieß es. "Diesen Vorschlag halten wir für sachgerecht und unterstützen wir", erklärte dazu Rosemann. Noch offene Detailfragen sollten im Rahmen weiterer Beratungen geklärt werden. Mit Blick auf den ursprünglichen Vorschlag Heils sprach Rosemann von "vielen offenen Fragen und Bedenken der beteiligten Akteure".

Mit dem Zuständigkeitswechsel sollte ein Sparbeitrag des Arbeits- und Sozialressorts für den Bundeshaushalt erbracht werden. Kosten sollten dadurch auf die BA und damit die Arbeitslosenversicherung verlagert werden. Der Vorschlag ist im Haushaltsfinanzierungsgesetz enthalten, über das derzeit im Bundestag beraten wird.

Kritiker der ursprünglichen Pläne Heils hatten unter anderem darauf hingewiesen, dass für die Betreuung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann künftig ausschließlich die BA zuständig wäre. Dies würde dazu führen, dass innerhalb derselben Familie ein Teil von deren Mitgliedern durch die Arbeitsagentur und ein Teil durch das Jobcenter betreut würde. Mit der nun geplanten Änderung würde die Betreuung wie bisher vollständig bei den Jobcentern liegen.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem ursprünglichen Vorschlag richtete sich gegen die Kostenverlagerung auf die BA, was deren finanzielle Leistungsfähigkeit dauerhaft schwäche. Diese Verlagerung würde nun allerdings für den Bereich der Weiterbildung und beruflichen Wiedereingliederung weiterhin stattfinden.

Aus den Regierungskreisen wurde zur Begründung des Kurswechsels auf die massiven Widerstände verwiesen. Diese hätten "ein Ausmaß angenommen hat, das die Umsetzung des Vorhabens ernsthaft in Frage stellt", hieß es. "Alle Leistungsberechtigten jeden Alters bleiben in der Integrationsverantwortung der Jobcenter und werden dort ganzheitlich betreut", hieß es weiter. Der Alternativvorschlag bedeute nun auch "einen großen Schritt in Richtung einer Agentur für Arbeit und Qualifizierung mit einer gebündelten Fachkompetenz in Weiterbildungsfragen".

Lob für den Kurswechsel kam von Gewerkschaften und Grünen. "Junge arbeitslose Menschen brauchen bestmögliche Beratung und Förderung. Deshalb ist es genau richtig, dass die Betreuung junger Arbeitssuchender jetzt doch bei den Jobcentern bleibt", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Dagegen hätte der Wechsel der Zuständigkeiten bedeutet, "auf dem Rücken junger Menschen Geld zu sparen und dafür Einbußen bei der Qualität der Betreuung in Kauf zu nehmen". Piel mahnte allerdings auch generell eine ausreichende Personal- und Finanzausstattung der Jobcenter an, "um junge Menschen so zu fördern, dass sie beruflich durchstarten können".

"Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Bundesminister Heil die Bedenken am geplanten Rechtskreiswechsel ernst genommen hat und die jungen Menschen unter 25 Jahren nun weiterhin in den Jobcentern betreut werden sollen", begrüßten auch die Grünen-Fachleute Frank Bsirske und Beate Müller-Gemmeke. Damit habe Heil Kritik auch der Grünen ernst genommen. Den Alternativvorschlag würden die Grünen nun prüfen.

"Grundsätzlich ergibt es deutlich mehr Sinn, die Weiterbildung und die Rehabilitation in Kooperation bei den Arbeitsagenturen zu organisieren und dort zu bündeln", äußerten sich Bsirske und Müller-Gemmeke aber positiv.

(V.Sørensen--DTZ)

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