Deutsche Tageszeitung - Nach Steuerschätzung auch in Union Zweifel an kompletter Soli-Abschaffung

Nach Steuerschätzung auch in Union Zweifel an kompletter Soli-Abschaffung


Nach Steuerschätzung auch in Union Zweifel an kompletter Soli-Abschaffung
Nach Steuerschätzung auch in Union Zweifel an kompletter Soli-Abschaffung / Foto: ©

Angesichts der im Vergleich zu früheren Prognosen sinkenden Steuereinnahmen wachsen in der Unionsfraktion Zweifel an einem baldigen Komplett-Verzicht auf den Solidaritätszuschlag. "In Anbetracht der deutlich nach unten korrigierten Steuereinnahmen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Spielraum für den zweiten Abbauschritt beim Soli", sagte der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg dem Magazin "Spiegel". Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warnte allerdings trotz der neuen Daten vor "Alarmismus".

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Die Koalition hat sich bisher darauf verständigt, den Solidaritätszuschlag ab 2021 für 90 Prozent der Steuerzahler abzubauen, nicht aber für die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher. Die Union hatte sich jedoch auf ihrem Parteitag Ende 2018 auf die Forderung nach einer kompletten Streichung des Soli festgelegt.

Dieses Ziel wurde auch von Rehberg im Grundsatz noch einmal bekräftigt. Er verwies allerdings zugleich auf den zweiten Satz des damaligen Parteitagsbeschlusses: "Dabei halten wir am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden fest."

"Wir müssen jetzt die richtigen Prioritäten setzen, nämlich Investitionen in Wachstum, Bildung und Forschung sowie innere und äußere Sicherheit", forderte Rehberg weiter. Insofern gebe es auch "keinen Spielraum für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung in Höhe von fünf Milliarden Euro oder andere Sozialversprechen der SPD".

Ähnlich wie Rehberg äußerte sich auch der CSU-Haushaltsexperte Alois Rainer. Zwar sei er weiterhin dafür, "den Soli schnellstmöglich und für alle abzuschaffen", sagte er dem "Straubinger Tagblatt" (Samstagsausgabe). "Dafür aber fehlt im Moment der Spielraum", fügte auch er hinzu. Zugleich wandte sich Rainer gegen Kürzungen bei Bundeswehr, Entwicklungshilfe und Investitionen.

Laut der am Donnerstag veröffentlichten neuen Steuerschätzung dürften die Steuereinnahmen des Bundes bis 2023 um gut 70 Milliarden Euro niedriger ausfallen als in der November-Schätzung vorhergesagt. Da dies allerdings weitgehend bereits in der Haushaltsplanung berücksichtigt sei, sprach Finanzminister Olaf Scholz (SPD) von einer noch bestehenden Lücke von gut zehn Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre.

Brinkhaus sagte am Freitag dem NDR, er sehe die Finanzierung geplanter Projekte der Koalition im Bund nicht gefährdet. Es sei zwar weniger Geld da als gedacht, aber immer noch mehr als vorher, verwies er auf den weiterhin erwarteten Anstieg der Steuereinnahmen in absoluten Zahlen. Skeptisch äußerte sich allerdings auch Brinkhaus zu den SPD-Plänen für die Grundrente. Zu deren Finanzierung "fehlt mir die Phantasie", sagte der CDU-Politiker.

Unterdessen fordern laut "Spiegel" ungeachtet der knapper werdenden Kassen mehrere Unions-Minister zusätzliches Geld. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will demnach allein für 2020 1,9 Milliarden Euro mehr, Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) einen Nachschlag von 800 Millionen Euro. Auf 1,1 Milliarden Euro zusätzlich drängt demnach Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Einen Sparkurs bei Sozialausgaben forderte der Arbeitgeberverband BDA. "Jetzt muss die elende Phase der Geldverteilung und der Ausweitung des Sozialstaates durch eine ordnungspolitische Neuorientierung abgelöst werden", forderte Hauptgeschäftsführer Steffen Kemperer in der "Passauer Neuen Presse" vom Freitag.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch stellte dagegen in Berlin den Verzicht auf neue Schulden in Frage. Er verwies auf Herausforderungen bei sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz.

(M.Dylatov--DTZ)