Deutsche Tageszeitung - Neuwahlen in Österreich voraussichtlich Anfang September

Neuwahlen in Österreich voraussichtlich Anfang September


Neuwahlen in Österreich voraussichtlich Anfang September
Neuwahlen in Österreich voraussichtlich Anfang September / Foto: ©

Politisches Erdbeben in Wien: Nach dem Rücktritt von Vizekanzler und FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache wegen eines Enthüllungsvideos stehen in Österreich Neuwahlen an. Wenn möglich, sollte die Wahl Anfang September abgehalten werden, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Sonntag nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Wien. Dessen Koalition mit den Rechtspopulisten war tags zuvor wegen Straches "Ibiza-Skandal" geplatzt. Offen blieb zunächst, wer Strache in der Regierung nachfolgt.

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Der genaue Wahltermin muss noch von den politischen Verantwortlichen festgelegt werden. Van der Bellen sprach von einem "Neuaufbau des Vertrauens", der nun nötig sei. Kurz sagte, die Neuwahlen seien "kein Wunsch" gewesen, sondern "eine Notwendigkeit". Er wolle zudem herausfinden, wer hinter den Videoaufnahmen stecke, die Strache zu Fall brachten.

Weder Kurz noch Van der Bellen gingen auf die Frage ein, wer Nachfolger Straches werden könnte, der am Samstag als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurückgetreten war. Auch dazu, ob ranghohe FPÖ-Politiker, darunter der umstrittene Innenminister Herbert Kickl, im Amt bleiben würden, äußerten sie sich nicht. Die Arbeit in der Regierung werde er bis zur Wahl "in aller Ruhe" fortsetzen, zitierte die österreichische Nachrichtenagentur APA Kurz.

Kurz hatte am Samstag vorgezogene Neuwahlen "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt" vorgeschlagen. Hintergrund des Skandals um die FPÖ ist ein heimlich aufgenommenes Video, in dem sich Strache vor der Parlamentswahl 2017 bereit zeigt, als Gegenleistung für verdeckte Wahlkampfgelder öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben.

Strache war auf Ibiza in eine ausgeklügelte Falle getappt. Auch wenn die Methoden, wie das Video entstanden sei, "verachtenswert" seien, spreche der Inhalt für sich, sagte Kurz am Samstag dazu. Er verwies insbesondere auf die zu Tage getretenen "Ideen des Machtmissbrauchs". In seinen Gesprächen mit Vertretern der FPÖ habe er zudem nicht den Eindruck gewonnen, dass es einen wirklichen Willen zur Veränderung der FPÖ auf allen Ebenen gebe. Damit spielte er auf eine Reihe von Kontroversen über rechtsextreme Äußerungen und Aktionen von FPÖ-Vertretern an.

Strache hatte sich nach seinem Rücktritt für eine Fortsetzung der seit Dezember 2017 bestehenden Regierungskoalition mit der ÖVP ausgesprochen. Sein eigenes Verhalten bezeichnete er als "alkoholbedingtes Machogehabe" und als einen "Fehler", kündigte aber gleichzeitig rechtliche Schritte gegen die Macher des Videos an. Er sprach von einer "Schmutzkübel-Aktion" gegen ihn, einem "geheimdienstlichen Angriff" - "ein gezieltes politisches Attentat".

Die der "Süddeutschen Zeitung" und dem "Spiegel" zugespielten Aufnahmen dokumentieren ein Treffen Straches und seines Vertrauten Johann Gudenus mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen im Juli 2017 und damit drei Monate vor der österreichischen Parlamentswahl. Die Frau gab demnach an, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte.

Strache schlägt der Frau dennoch einen Deal vor. In dem Video verweist der FPÖ-Mann auf andere Geldgeber - ein "paar sehr Vermögende", die zwischen 500.000 Euro und zwei Millionen Euro gespendet hätten. Diese Gelder flössen aber nicht direkt an die FPÖ, sondern an einen "gemeinnützigen Verein". "Du musst erklären, dass das nicht an den Rechnungshof geht", sagt Strache zu Gudenus, der übersetzt. Gudenus trat am Samstag als FPÖ-Fraktionsvorsitzender zurück.

Strache schlägt seinerseits der vermeintlichen Oligarchen-Nichte vor, für lukrative Regierungsaufträge zu sorgen, wenn sie ein Unternehmen in Österreich gründet. Zudem hofft er, mit Hilfe einer Beteiligung der Russin an der auflagenstarken "Kronen Zeitung" Einfluss auf das mächtige Boulevardblatt zu gewinnen, so dass die FPÖ massiv gestärkt wird.

(U.Beriyev--DTZ)