Deutsche Tageszeitung - Österreichische Regierung vor dem endgültigen Zerfall

Österreichische Regierung vor dem endgültigen Zerfall


Österreichische Regierung vor dem endgültigen Zerfall
Österreichische Regierung vor dem endgültigen Zerfall / Foto: ©

Im Zuge des "Ibiza-Skandals" steuert die österreichische Regierung auf ihren endgültigen Zerfall zu: Angesichts der erwarteten Absetzung von Innenminister Herbert Kickl drohte der designierte neue FPÖ-Chef Norbert Hofer am Montag mit dem Rücktritt aller Minister seiner rechtspopulistischen Partei. Bundeskanzler Sebastian Kurz warf dem Innenministerium mangelndes Bewusstsein für die Aufarbeitung des Skandals vor und versprach, für "stabile Verhältnisse" zu sorgen.

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Kickl war zur Zeit der heimlichen Videoaufnahmen des inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache im Juli 2017 FPÖ-Generalsekretär. Bei Ermittlungen gegen die Partei könne Kickl nicht im Amt bleiben, sagte Kurz der Zeitung "Kurier" vom Montag. "Klar ist, dass Herbert Kickl nicht gegen sich selbst ermitteln kann."

Der Verkehrsminister und designierte neue FPÖ-Chef Hofer sagte dagegen, Kickl habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Es gebe keine Ermittlungen gegen ihn. Die Regierungsmitglieder der Partei würden deshalb ihre "Ämter zur Verfügung" stellen, "wenn die Abberufung unseres Innenministers Herbert Kickl erfolgt", sagte Hofer.

Kickl selbst sagte, seiner Partei sei nach der Veröffentlichung des Enthüllungsvideos klar gewesen, dass es "personell und inhaltlich" Konsequenzen geben müsse. "Von mangelndem Problembewusstsein und Unterschätzung der Problematik kann nicht im Mindesten die Rede sein." Mit dem Rückzug von Strache und des ebenfalls in dem Skandalvideo zu sehenden FPÖ-Politiker Johann Gudenus habe die Partei "ihren Teil der Vereinbarung" mit Kurz gehalten.

Kickl zufolge forderte der Kanzler aber noch am Samstag seinen Wechsel in ein anderes Ressort, das Innenministerium sollte demnach nicht mehr bei der FPÖ bleiben. Kickl warf Kurz vor, er und viele seiner Mitstreiter hätten den Verlust des Innenministeriums an die FPÖ im Dezember 2017 "nicht verziehen". Die Minister der FPÖ hätten in der Regierung "Takt und Kurs vorgegeben", betonte Kickl.

Nach Beratungen des Parteivorstands seiner ÖVP sprach Kurz die offenbar bevorstehende Abberufung Kickls nicht direkt an. Er kritisierte aber, dass es im Innenministerium "noch immer kein notwendiges Bewusstsein für die Aufarbeitung und den Umgang in diesem Skandal gibt". Der Skandal müsse "vollkommen aufgeklärt" werden. "Ich kann nur von meiner Seite versprechen, dass wir alles Menschenmögliche in der Regierung tun werden, um das auch sicherzustellen."

Kurz kündigte an, mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen dafür zu sorgen, "dass es in den nächsten Monaten Stabilität" gibt. Er fordere auch die Oppositionsparteien auf, dazu einen "Beitrag zu leisten".

Kurz sollte nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA am frühen Nachmittag Van der Bellen treffen. Dieser empfängt demnach auch Hofer und später die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sagte laut APA am Montag, die sozialdemokratische SPÖ würde bei einem Rückzug der FPÖ-Minister eine "breit aufgestellte" Expertenregierung unterstützen.

Durch die Veröffentlichung des Enthüllungsvideos rund um Ex-FPÖ-Chef Strache war die rechtskonservative Regierung in Österreich am Wochenende nach nur anderthalb Jahren im Amt geplatzt. Im September sollen Neuwahlen stattfinden.

In dem heimlich aufgenommenen Video zeigt sich Strache bereit, als Gegenleistung für verdeckte Wahlkampfgelder öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben. Der Kreml erklärte am Montag, Russland habe mit dem Skandal "nichts zu tun". Es sei nicht klar, ob die Frau in dem Video tatsächlich eine Russin sei. Der Oligarch Igor Makarow bestritt eine verwandschaftliche Beziehung zu der Frau.

(U.Beriyev--DTZ)