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Hongkongs Regierungschefin Lam erklärt Auslieferungsgesetz für "tot"
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Hongkongs in Bedrängnis geratene Regierungschefin Carrie Lam hat nach wochenlangen Massenprotesten das umstrittene geplante Auslieferungsgesetz für "tot" erklärt. Vertreter der Protestbewegung zeigten sich am Dienstag jedoch unbeeindruckt vom Einlenken Lams und kündigten weitere Massenproteste gegen die pekingtreue Statthalterin an. Chinas Regierung äußerte Verständnis für die Entscheidung Lams.
Es gebe "keinen Plan", das auf Eis liegende Gesetzgebungsverfahren wieder in Gang zu bringen, betonte Lam am Dienstag. "Das Gesetz ist tot." Allerdings gab die pekingtreue Regierungschefin der chinesischen Sonderverwaltungszone nicht der Forderung der Protestbewegung nach, den Gesetzentwurf sofort von der Agenda des Parlaments zurückzuziehen.
Vertreter der Protestbewegung reagierten umgehend. Der kürzlich aus der Haft entlassene Aktivist Joshua Wong warf Lam im Kurzbotschaftendienst Twitter "eine weitere lächerliche Lüge" vor. Der Gesetzentwurf sei "bis Juli nächsten Jahres" Teil der parlamentarischen Agenda, kritisierte Wong.
Eine Sprecherin des Bürgerforums für Menschenrechte erklärte am Dienstag, weitere Proteste und Versammlungen abzuhalten, "sollten unsere fünf Forderungen von Carrie Lam und ihrer Regierung immer noch nicht gehört werden".
Das Gesetzesvorhaben, das erstmals Auslieferungen an Festland-China ermöglicht hätte, hat die größten Proteste seit der Rückgabe der einstigen britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997 ausgelöst. In den vergangenen Wochen gingen in der Finanzmetropole wiederholt hunderttausende Demonstranten auf die Straße. Die Polizei ging teilweise mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Aktivisten vor.
Angesichts der Massenproteste legte Lam das Gesetzesvorhaben Mitte Juni zunächst auf Eis. Die Proteste dauerten aber an und richteten sich zunehmend gegen Regierungschefin Lam selbst.
Lam räumte am Dienstag Fehler ein. Der Gesetzentwurf sei ein "kompletter Fehler" ihrer Regierung gewesen. Sie willigte unter anderem ein, ohne Vorbedingungen Studenten zu treffen. Auch sprach sie von "grundlegenden, tief verwurzelten Problemen" in Hongkong. Dabei könne es um wirtschaftliche Probleme, fehlenden Wohnraum und politische Spaltungen gehen. Diese Probleme müssten angegangen werden.
Lam wies aber die Forderung der Protestbewegung zurück, einen unabhängige Untersuchung des Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten einzuleiten.
Mit Blick auf die Forderung, das Auslieferungsgesetz endgültig von der Parlamentsagenda zu nehmen, sagte Lam, die Bevölkerung würde sich nicht mit dem Wort "zurückziehen" zufrieden geben. Denn das würde bedeuten, dass der Text drei Monate später wieder dem Parlament vorgelegt werden könnte. Ihre Aussage "Das Gesetz ist tot" sei aber eindeutig, versprach sie.
Die Opposition im Parlament bezweifelte Lams Aufrichtigkeit. Die prodemokratische Abgeordnete Claudia Mo sprach von einem "absoluten Mangel an Vertrauen und Zuversicht" in die Regierung.
Auch der Experte Dixon Sing ging im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP nicht von einer Entschärfung der Proteste aus. Das Vertrauen in die Regierung sei auf ein "Rekordniveau" gesunken. Sollte Lam die Forderungen der Protestbewegung nicht eindeutig umsetzen, "wird die Mehrheit der Hongkonger Öffentlichkeit sehr skeptisch gegenüber der Aufrichtigkeit der Regierung bleiben", betonte er.
China hatte London bei der Übergabe Hongkongs 1997 zugesichert, dass in der ehemals britischen Kronkolonie Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft der pekingtreuen Regierung vor, diese unter der Parole "Ein Land, zwei Systeme" bekannte Regelung zunehmend zu unterlaufen.
Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Geng Shunag erklärte am Dienstag vor Journalisten, die Regierung in Peking habe "Verständnis" für Lams Rückzug von dem Auslieferungsgesetz.
(P.Tomczyk--DTZ)