Von der Leyen wirbt im EU-Parlament mit leidenschaftlicher Rede um Zustimmung
Mit einer leidenschaftlichen und teils persönlich gefärbten Rede hat Ursula von der Leyen (CDU) im Europaparlament für ihre Wahl zur nächsten EU-Kommissionspräsidentin geworben. An der Spitze der Brüsseler Kommission werde sie die Einheit Europas gegen Versuche der Spaltung und globale Herausforderungen verteidigen, sagte sie am Dienstag im Straßburger Plenarsaal. Beim Kampf gegen den Klimawandel wolle sie Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Bei der Abstimmung über von der Leyen am Abend im Parlament wurde ein knappes Ergebnis erwartet.
Bei den Abgeordneten stieß die Rede der scheidenden Bundesverteidigungsministerin auf unterschiedliche Reaktionen. Während sie bei den Christdemokraten und Liberalen wiederholt langen Applaus erntete, äußerten sich Grüne, Linke und Rechtspopulisten kritisch.
Im Kampf gegen den Klimawandel will von der Leyen in ihren ersten 100 Tagen im Amt einen "Green Deal für Europa" vorlegen. Sie kündigte ein Gesetz an, in dem das Ziel festgeschrieben ist, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
Außerdem werde sie sich für eine faire Besteuerung von Unternehmen einsetzen, betonte sie. Wenn diese in der EU Gewinne machten, müssten sie sich auch an den Bürden - etwa der Finanzierung der Sozialsysteme - beteiligen.
Die "Gründungsmütter und -väter" Europas hätten "aus den Trümmern und der Asche der Weltkriege ein gewaltiges Werk errichtet", sagte die 60-Jährige, die abwechselnd Deutsch, Englisch und Französisch sprach. Seit Jahrzehnten herrsche in Europa Friede und Wohlstand. Doch heute sei allen klar, "dass wir wieder kämpfen müssen, dass wir wieder aufstehen müssen für unser Europa". Angesichts von Herausforderungen wie dem Klimawandel müsse die EU nun Einheit zeigen und für ihre Werte einstehen.
Sie wolle für ein einiges Europa kämpfen, rief von der Leyen den Abgeordneten zu. "Wer aber Europa schwächen, spalten und ihm seine Werte nehmen will, der findet in mir eine erbitterte Gegnerin." Sie sei in Brüssel geboren, wo ihr Vater bei der EU-Kommission gearbeitet habe. "Ich bin Europäerin gewesen, bevor ich später gelernt habe, dass ich Deutsche bin und Niedersächsin. Und deshalb gibt es für mich nur eines: Europa einen und stärken."
Die Reaktionen im Parlament fielen unterschiedlich aus, mehrere Fraktionen hatten noch keine einheitliche Position. Die Sozialdemokraten, mit 153 Abgeordneten die zweitgrößte Gruppe im Parlament, wollten am Nachmittag über ihr Abstimmungsverhalten beraten. Strikt gegen die Nominierung von der Leyens sind die 16 SPD-Abgeordneten. Sie kritisieren insbesondere, dass mit der scheidenden Verteidigungsministerin eine Kommissionschefin nominiert wurde, die keine Spitzenkandidatin der Parteien bei der Europawahl war. Nach Angaben aus Fraktionskreisen sind die SPD-Abgeordneten in der Gruppe aber in der Minderheit.
"Ihre Zusagen waren zu vage", begründete der Ko-Vorsitzende der Grünen, der Belgier Philippe Lamberts, die Ablehnung seiner Fraktion nach von der Leyens Rede. Auch Martin Schirdewan (Linke) vermisste konkrete Aussagen etwa zu Steuern und Migration. Für die rechtspopulistische AfD verweigerte deren Vorsitzender Jörg Meuthen der CDU-Politikerin die Zustimmung. Von der Leyen erwiderten ihm, sie sei "erleichtert", dass diese Partei nicht für sie stimmen wolle.
Von der Leyen war nach schwierigen Verhandlungen Anfang Juli von den Staats- und Regierungschefs als Nachfolgerin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen worden. Sie braucht bei der geheimen Wahl am Abend ab 18.00 Uhr eine Mehrheit der 747 Mandate im Parlament, also mindestens 374 Stimmen. Die Auszählung kann einem Parlamentssprecher zufolge bis 20.00 Uhr dauern.
(S.A.Dudajev--DTZ)