Deutsche Tageszeitung - Pattsituation im Kosovo: Wahl des Parlamentspräsidenten scheitert zum 52. Mal

Pattsituation im Kosovo: Wahl des Parlamentspräsidenten scheitert zum 52. Mal


Pattsituation im Kosovo: Wahl des Parlamentspräsidenten scheitert zum 52. Mal
Pattsituation im Kosovo: Wahl des Parlamentspräsidenten scheitert zum 52. Mal / Foto: © AFP

Nach monatelangem Streit um die Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten steht das Kosovo vor einer politischen Krise: Am Freitag scheiterten die Abgeordneten des Balkanstaats zum 52. Mal mit dem Vorhaben, einen neuen Parlamentspräsidenten zu wählen - was die Konstituierung des Parlaments und die Vereidigung des im Februar gewählten, amtierenden Regierungschefs Albin Kurti bislang verhinderte. "Das ist eine beispiellose Situation, ein undefiniertes Vakuum und Chaos", sagte der Rechtsprofessor Masllum Baraliu der Nachrichtenagentur AFP.

Textgröße ändern:

Nach dutzenden gescheiterten Abstimmung hatte das Verfassungsgericht des Kosovo im Juni eine Frist von 30 Tagen für die Wahl des Parlamentspräsidenten gesetzt, die am Samstag um Mitternacht abläuft. Eine letzte Wahl ist für Samstag angesetzt. So bleiben den Abgeordneten noch wenige Stunden, um sich nach monatelanger Pattsituation zu einigen. Was im Fall eines weiteren Scheiterns folgt, ist offen. "Ich weiß nicht, was passieren wird", räumte selbst Kurti am Montag ein.

"Zweifellos handelt es sich um eine der schwerwiegendsten, längsten und folgenreichsten Krisen in der jüngeren politischen Geschichte des Kosovo", sagte Eugen Kakolli vom unabhängigen Kosovo Demokratieinstitut. "Das Parlament hat sich in einen Demokratie-Zirkus verwandelt."

Ohne einen Parlamentspräsidenten kann das Parlament seine Arbeit nicht aufnehmen. Weder neue Minister noch der Ministerpräsident konnten vereidigt werden, was Kurti dazu zwang, seit fünf Monaten eine Übergangsregierung zu führen. Ohne funktionierende Regierung läuft das Land zudem Gefahr, EU-Fördermittel in Höhe von über 883 Millionen Euro zu verlieren, erklärte die Wissenschaftlerin Njomza Arifi vom Think Tank Gruppe für Rechtliche und Politische Studien in Pristina.

Im Februar hatte die linksnationalistische Selbstbestimmungs-Partei (VV) von Regierungschef Kurti die Parlamentswahl gewonnen, jedoch die absolute Mehrheit verfehlt. Die von der VV-Partei vorgeschlagene Kandidatin zur Parlamentspräsidentin, Albulena Haxhiu, gilt ihren Gegnern als zu politisch, weshalb die Wahl bislang scheiterte. Selbst wenn die VV diesen Widerstand überwindet, muss sie noch verhandeln, um eine Regierungsmehrheit zu formieren.

Das Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt, knapp ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit allerdings nicht an. Es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen der Mehrheit der ethnischen Albaner und der serbischen Minderheit im Kosovo. Unter Regierungschef Kurti verschärften sich die Spannungen in den vergangenen Jahren.

Das Kosovo ist eines der ärmsten Länder in Europa. Seit 2011 wanderten rund zwölf Prozent der Bewohner aus.

(P.Tomczyk--DTZ)

Empfohlen

US-Soldaten in Syrien bei mutmaßlichem IS-Angriff getötet - Trump droht mit Vergeltung

In Syrien sind am Samstag zwei US-Soldaten und ein Übersetzer bei einem Angriff eines mutmaßlichen Mitglieds der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) getötet worden. Drei weitere US-Soldaten seien bei dem Angriff auf eine gemeinsame Patrouille von syrischen und US-Soldaten verletzt worden, teilte das US-Regionalkommando Centcom mit. "Wir trauern um den Verlust von drei großen amerikanischen Patrioten in Syrien", erklärte US-Präsident Donald Trump und drohte mit "sehr ernster Vergeltung".

Gespräche in Berlin über "möglichen Waffenstillstand in Ukraine"

Das diplomatische Ringen um ein Ende des Ukraine-Krieges verlagert sich ab Sonntag nach Berlin: Der US-Sondergesandte Steve Witkoff will sich dort nach Angaben des Weißen Hauses mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und europäischen Staatenlenkern treffen. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen führen zunächst die außenpolitischen Berater "unter anderem der USA und der Ukraine" Gespräche "zu einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine".

Zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Chile

In Chile findet am Sonntag (ab 8.00 Uhr Ortszeit, 12.00 Uhr MEZ) die zweite Runde der Präsidentschaftswahl statt. In der Stichwahl um die Nachfolge des linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric treten der deutschstämmige Rechtsextreme José Antonio Kast, der Sohn eines Wehrmachtssoldaten, und die Sozialdemokratin Jeannette Jara gegeneinander an. Wichtigste Themen im Wahlkampf waren der Kampf gegen kriminelle Banden und die Einwanderung.

Ungarn fordern Rücktritt Orbans nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen

Nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen haben in Ungarns Hauptstadt Budapest am Samstag mehr als 50.000 Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orban gefordert. Sie riefen Parolen wie "Orban, hau ab!". Zu der Demonstration hatte Oppositionsführer Peter Magyar aufgerufen, dessen Partei Tisza vor der Parlamentswahl im Frühling die Meinungsfragen anführt. Er führte den Protestzug an und trug ein Banner mit den Worten "Lasst uns Kinder schützen".

Textgröße ändern: