Deutsche Tageszeitung - Mehr als 300 Demonstranten in Moskau festgenommen

Mehr als 300 Demonstranten in Moskau festgenommen


Mehr als 300 Demonstranten in Moskau festgenommen
Mehr als 300 Demonstranten in Moskau festgenommen / Foto: ©

Fünf Wochen vor den umstrittenen Kommunalwahlen in Moskau erhöhen die Sicherheitsbehörden den Druck auf die Opposition: Bei nicht genehmigten Protesten für freie Wahlen nahm die Polizei nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info am Samstag mindestens 311 Menschen fest. Fast zeitgleich teilte die russische Justiz mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche gegen die Anti-Korruptions-Stiftung des derzeit inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny eingeleitet hat.

Textgröße ändern:

Trotz eines Demonstrationsverbots versammelten sich rund tausend Menschen im Zentrum der russischen Hauptstadt, um gegen den Ausschluss mehrerer Oppositionskandidaten von den im September anstehenden Kommunalwahlen zu protestieren. Unter den mehr als 300 Festgenommenen befand sich auch die Nawalny-Vertraute und von den Behörden abgelehnte Oppositionskandidatin Ljubow Sobol.

"Warum nehmen Sie mich fest?", rief Sobol, während sie von Polizisten aus einem Taxi gezogen wurde. Sie soll sich auf dem Weg zu der Demonstration befunden haben. Die Rechtsanwältin ist für Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung tätig. Aus Protest gegen ihren Ausschluss von der Kommunalwahl am 8. September begann Sobol vor 21 Tagen einen Hungerstreik; bei der Festnahme war sie erkennbar geschwächt.

Sechs Menschen wurden nach Angaben von OWD-Info während der Festnahmen verletzt. Zudem sollen sich sechs Journalisten unter den Festgenommenen befinden.

Zahlreiche Oppositionskandidaten, die wegen angeblicher formaler Mängel von der Kommunalwahl im September ausgeschlossen wurden, befinden sich derzeit im polizeilichen Gewahrsam. Bei einem Massenprotest der Opposition am Samstag vergangener Woche hatte die Polizei fast 1400 Demonstranten festgenommen.

Kurz zuvor war der Kreml-Kritiker Nawalny festgenommen worden. Er sitzt derzeit eine 30-tägige Haftstrafe wegen Regelverstößen bei öffentlichen Versammlungen ab. Nach den Protesten am vergangenen Wochenende leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen "Massenunruhen" und "Gewalt gegen Polizisten" ein.

Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin warf dem Kreml einen "Kurs der Einschüchterung" vor. Das Vorgehen gegen die Proteste zeige "vor allem, dass das System Putin offensichtlich selber Zweifel an der eigenen Legitimität in der Bevölkerung hat", erklärte der Sprecher für Osteuropa-Politik der Grünen-Bundestagsfraktion.

Die Sicherheitsbehörden hatten die Bevölkerung im Vorfeld vor einer Teilnahme an den Protesten gewarnt. "Wir wiederholen, dass diese Veranstaltung illegal ist", betonte die Polizei auf ihrer Website. Die Staatsanwaltschaft warnte, die Polizei werde "alle notwendigen Maßnahmen" gegen Demonstranten ergreifen.

Derweil gab die russische Justiz Geldwäsche-Ermittlungen gegen Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung bekannt. Es gehe um illegal beschaffte Geldsummen in Höhe von knapp einer Milliarde Rubel (13,8 Millionen Euro), teilten die Ermittler mit. Vor wenigen Tagen hatte die Stiftung einen Bericht veröffentlicht, wonach die stellvertretende Bürgermeisterin von Moskau, Natalia Sergunina, Immobilien in städtischem Eigentum zu Tiefstpreisen an Familienmitglieder verkauft haben soll.

Demonstranten sagten der Nachrichtenagentur AFP, der Ausschluss der Opposition von den Kommunalwahlen habe sie auf die Straße getrieben. "Ich finde, jeder sollte das Recht darauf haben zu kandidieren", sagte der 39-jährige Robert. Die 22-jährige Varvara sprach von einer "Atmosphäre der totalen Kontrolle". Sie wünsche sich "große Veränderungen", sagte sie weiter.

(U.Beriyev--DTZ)