Deutsche Tageszeitung - Brief von US-Botschafter an Macron wegen Antisemitismus sorgt für Wirbel in Paris

Brief von US-Botschafter an Macron wegen Antisemitismus sorgt für Wirbel in Paris


Brief von US-Botschafter an Macron wegen Antisemitismus sorgt für Wirbel in Paris
Brief von US-Botschafter an Macron wegen Antisemitismus sorgt für Wirbel in Paris / Foto: © AFP/Archiv

Mit Äußerungen über einen "unzureichenden" Einsatz Frankreichs gegen Antisemitismus hat der neue US-Botschafter Charles Kushner für Wirbel gesorgt. In einem Brief an Präsident Emmanuel Macron äußerte Kushner seine "tiefe Besorgnis über den dramatischen Anstieg des Antisemitismus in Frankreich und das unzureichende Vorgehen Ihrer Regierung dagegen". Wegen seiner "inakzeptablen" Äußerungen wurde Kushner am Montag ins Außenministerium in Paris einbestellt.

Textgröße ändern:

Kushner schrieb in dem in Medien veröffentlichten Brief, in Frankreich vergehe kein Tag, "an dem nicht Juden auf der Straße angegriffen, Synagogen oder Schulen beschmiert oder Geschäfte von Juden verwüstet werden". Die geplante Anerkennung eines Palästinenserstaats durch Frankreich "ermutige Extremisten, schüre Gewalt und gefährde jüdisches Leben in Frankreich".

US-Präsident Donald Trump und er seien sehr besorgt, weil sie "jüdische Kinder und Enkelkinder" hätten, schrieb Kushner. Das US-Außenministerium sagte dem US-Magazin "Politico", es unterstütze "die Kommentare" seines Botschafters, der im Mai bestellt wurde.

In einer Erklärung des französischen Außenministeriums von Sonntagabend hieß es, Frankreich weise die "Anschuldigungen entschieden zurück". Frankreich sei im Kampf gegen Antisemitismus "vollständig engagiert".

Weiter hieß es, die Kommentare von Kushner verstießen "gegen internationales Recht" und insbesondere gegen die Pflicht diplomatischen Personals, "sich nicht in innere Angelegenheiten von Staaten" einzumischen. "Darüber hinaus entsprechen sie nicht der Qualität der transatlantischen Beziehungen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten und dem Vertrauen, das zwischen Verbündeten herrschen sollte."

Der wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte Immobilienunternehmer Charles Kushner ist der Vater von Jared Kushner, dem Schwiegersohn von US-Präsident Trump. Kushners Verurteilung wurde von Trump 2020 durch einen Gnadenakt getilgt.

In Frankreich leben knapp 500.000 Jüdinnen und Juden, es handelt sich um die größte jüdische Gemeinde Europas. Seit dem Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen ist die Zahl antisemitischer Taten in Frankreich und weiteren Ländern stark angestiegen.

Am Dienstag hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dem französischen Präsidenten vorgeworfen, mit der geplanten Anerkennung eines Palästinenserstaats Antisemitismus zu befördern. "Ihre Forderung nach einem palästinensischen Staat schürt dieses antisemitische Feuer", schrieb Netanjahu in einem Brief an Macron. Er sei besorgt angesichts des "alarmierenden Anstiegs" von Antisemitismus und der mangelnden Bekämpfung "durch Ihre Regierung", fügte der israelische Regierungschef hinzu. Er rief Macron auf, härtere Maßnahmen gegen die Judenfeindlichkeit zu ergreifen.

Frankreichs Präsidialverwaltung reagierte auf Netanjahus Aussagen mit scharfen Worten. Der Vorwurf, mit der Anerkennung eines Palästinenserstaats den Antisemitismus zu befeuern, sei "falsch und abscheulich", erklärte der Elysée-Palast. Die französische Republik schütze "stets die Mitbürger jüdischen Glaubens" und werde dies "immer tun". Die derzeitige Lage erfordere "Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein statt Verallgemeinerungen und Manipulationen", hieß es weiter.

Nach dem Brief Kushners verteidigte Gleichstellungsministerin Aurore Bergé am Montag die Bilanz der französischen Regierung. "Der Kampf der französischen Regierung gegen Antisemitismus ist eindeutig", sagte sie dem Sender Europe 1-CNews. Das Thema sei "zu ernst", um in diplomatische Angelegenheiten einbezogen zu werden.

Bergré räumte den Anstieg antisemitischer Vorfälle im Westen ein. "Ich denke, wir haben ein Niveau erreicht, das absolut intolerabel ist." Es liege "eine Form von Antisemitismus in der Luft, die sich in all unseren Demokratien ausbreitet und gegen die wir kämpfen".

Auch Patrick Klugman, ein Anwalt mehrerer französischer Opfer der Angriffe vom 7. Oktober 2023, sagte, dass der Antisemitismus in Frankreich historische Ausmaße erreicht habe. Zugleich verteidigte er die französische Regierung und erklärte, Washington sei nicht in der Position, Paris Vorhaltungen zu machen. "In den vergangenen sechs Jahren wurde in Frankreich kein antisemitischer Mord begangen, während in den Vereinigten Staaten leider mehrere geschehen sind", schrieb er im Onlinedienst X.

(A.Stefanowych--DTZ)

Empfohlen

Israel tötet ranghohen Hamas-Kommandeur im Gazastreifen - Hamas lehnt Entwaffnung ab

Israel hat den für die Hamas-Waffenproduktion im Gazastreifen verantwortlichen Kommandeur getötet. Die israelische Regierung gab den Tod "des Terroristen Raed Saad" bekannt, den sie als "einen der Architekten" des Hamas-Überfalls auf Israel vom 7. Oktober 2023 bezeichnete. Die islamistische Palästinenserorganisation bestätigte am Sonntag den Tod ihres ranghohen Kommandeurs und lehnte im Zuge dessen ihre international geforderte Entwaffnung kategorisch ab.

Ukraine-Gespräche in Berlin: Selenskyj plädiert für Einfrieren des Frontverlaufs

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu den mit Spannung erwarteten Gesprächen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs in Berlin eingetroffen. Dies bestätigte Präsidentenberater Dmytro Lytwyn am Sonntag vor Journalisten. Selenskyj sagte seinerseits vor seiner Ankunft vor Reportern, er wolle die US-Unterhändler bei dem Treffen davon überzeugen, den Frontverlauf in der Ukraine einzufrieren. In Berlin sollten sich ukrainische Vertreter unter anderem mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff treffen.

Freude und Erleichterung über Freilassung von belarussischen Oppositionellen

Die überraschende Freilassung von mehr als 120 politischen Gefangenen aus Belarus nach Vermittlung der USA ist mit Freude und Erleichterung aufgenommen worden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte am Wochenende im Onlinedienst X, die Freilassung der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, des Friedensnobelpreisträgers Ales Bjaljazki, des Lukaschenko-Gegners Viktor Babariko und weiterer politischer Gefangener erfülle ihn "mit Freude". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die EU werde sich weiter für politische Gefangene in Belarus einsetzen. Kolesnikowa und Bjaljazki zeigten sich unmittelbar nach der Freilassung kämpferisch.

Entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl in Chile hat begonnen

In Chile hat die entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl begonnen. In der Stichwahl um die Nachfolge des linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric treten der deutschstämmige Rechtsextreme José Antonio Kast, der Sohn eines Wehrmachtssoldaten, und die Sozialdemokratin Jeannette Jara gegeneinander an. Wichtigste Themen im Wahlkampf waren die Bekämpfung krimineller Banden und die Einwanderung.

Textgröße ändern: