
Johnson trifft in Paris und Berlin auf bedingte Gesprächsbereitschaft

Frankreich und Deutschland haben dem neuen britischen Premierminister Boris Johnson grundsätzliche Gesprächsbereitschaft in Sachen Brexit signalisiert. Eine grundlegende Neuverhandlung des bestehenden Abkommens zwischen Brüssel und London lehnte der französische Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag bei einem Treffen mit Johnson jedoch ab. Johnson selbst versicherte, dass er eine Vereinbarung mit der EU zum Brexit anstrebe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) relativierte unterdessen ihre Äußerung über eine mögliche Einigung innerhalb von 30 Tagen.
"Ich will ein Abkommen", bekräftige Johnson beim Treffen mit Macron im Elysée-Palast. Er wolle "eindeutig klarstellen", dass er ein Abkommen mit der EU schließen wolle, sagte Johnson. Das Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel am Mittwoch habe ihn "stark ermutigt", fügte er hinzu.
Johnson hatte bei seinem Treffen mit Merkel am Mittwoch seine Forderung nach einer Streichung der sogenannten Backstop-Regelung im bestehenden Austrittsabkommen bekräftigt. Dieses hatte Johnsons Vorgängerin Theresa May mit der EU ausgehandelt. Es wurde aber bereits drei Mal vom britischen Parlament abgelehnt. "Der Backstop muss beseitigt werden", wiederholte Johnson in Berlin.
Die Backstop-Regelung soll eine "harte Grenze" mit Kontrollen auf der irischen Insel verhindern. Laut dem vergangenen November vereinbarten Austrittsvertrag würde nach dem Brexit in einer Übergangsphase über eine Lösung verhandelt. Ohne Einigung bis spätestens Ende 2022 würde eine Auffanglösung greifen. Dieser sogenannte Backstop sieht vor, dass Großbritannien bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt.
Johnson kritisiert die Regelung als "undemokratisch" und als Verletzung der Souveränität Großbritanniens. Die EU hat ein Aufschnüren des bereits mit Großbritannien ausgehandelten Brexit-Abkommens aber wiederholt abgelehnt.
Macron erklärte, er sei wie Bundeskanzlerin Merkel zuversichtlich, dass in den kommenden 30 Tagen eine "intelligente" Lösung für die Irland-Grenze gefunden werden könne. Diese dürfe aber "nicht weit von den Grundlagen" des bereits bestehenden Abkommens entfernt sein. "Wir müssen uns um einen ergiebigen Monat bemühen", sagte der französische Präsident.
Am Vorabend hatte Macron hervorgehoben, "die Neuverhandlung zu den Bedingungen, wie sie zur Zeit von den Briten vorgeschlagen werden, ist keine Option."
Merkel hatte am Mittwoch bekräftigt, dass der Backstop immer eine "Rückfallposition" gewesen sei für den Fall, dass in der Übergangsphase nach dem Brexit keine Regelung für die Irland-Grenze gefunden werde. "Wir haben gesagt, die finden wir wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren, aber man kann sie vielleicht auch in den nächsten 30 Tagen finden, warum nicht?"
Am Donnerstag relativierte die deutsche Kanzlerin ihre Äußerung. Der Zeitraum von 30 Tagen sei nur sinnbildlich gemeint gewesen und habe deutlich machen sollen, dass auch in einem kurzen Zeitraum eine Lösung angestrebt werden könne, sagte Merkel in Den Haag. "Besser gesagt, müsste man sagen: Das kann man auch bis zum 31. Oktober schaffen. Schließlich wolle London bis dahin aus der EU austreten.
Ein EU-Vertreter sagte am Donnerstag vor Journalisten in Brüssel, die EU und ihre Mitgliedstaaten müssten die Möglichkeit eines ungeregelten Brexit "viel ernster" nehmen als bislang. Mit Blick auf das Gespräch zwischen Merkel und Johnson zeigte er sich "etwas besorgt". Die EU warte auf "tragfähige Ideen" aus London.
(U.Stolizkaya--DTZ)