Deutsche Tageszeitung - Bündnis fordert Familienministerin zu Vereinheitlichung des Sozialrechts auf

Bündnis fordert Familienministerin zu Vereinheitlichung des Sozialrechts auf


Bündnis fordert Familienministerin zu Vereinheitlichung des Sozialrechts auf
Bündnis fordert Familienministerin zu Vereinheitlichung des Sozialrechts auf / Foto: ©

Ein breites Bündnis aus politischen und sozialen Akteuren verlangt ein einheitliches Sozialrecht für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Rund eine viertel Million junger Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung seien derzeit von der Kinder- und Jugendhilfe ausgegrenzt, erklärten Vertreter unter anderem der Behindertenhilfe, Pädiatrie, Kinder- und Jugendhilfe, Wissenschaft und Politik am Dienstag. Das Bundesfamilienministerium müsse diese Exklusion beenden.

Textgröße ändern:

Kinder und Jugendliche fallen in der Frage von Sozialleistungen derzeit in zwei verschiedene Systeme: Für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung ist die Eingliederungshilfe zuständig, für alle anderen die Kinder- und Jugendhilfe. Die Einteilung verstößt dem Bündnis zufolge gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und das Grundrecht auf Gleichbehandlung. "Es gibt keinen Sinn in dieser Kategorisierung", sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), Karin Böllert, in Berlin.

Die derzeitige Regelung führt demnach zu zahlreichen Behördengängen und Mehrkosten für die Eltern von Kindern mit Behinderung. In der Eingliederungshilfe werde etwa das Einkommen und Vermögen der Eltern stark herangezogen, sagte Böllert. Die Kostenbeiträge für betroffene Familien seien zum Teil so hoch, dass diese oft notwendige Leistungen nicht in Anspruch nehmen könnten. In der Kinder- und Jugendhilfe werde hingegen ein Großteil der Leistungen übernommen, ergänzte Böllert.

Viele niederschwellige Angebote der Kinder- und Jugendhilfe seien für junge Menschen mit Behinderung schlichtweg nicht verfügbar, kritisierte die betroffene Mutter Kerrin Stumpf: "Ich sehe einen Flyer über ein Jugendangebot in unserem Stadtteil", doch aufgrund seiner komplexen Behinderung sei ihr 15-jähriger Sohn Pelle von den meisten Aktivitäten ausgeschlossen. Inklusion erlebe ihr Kind meist nur in der Familie und der Schule.

Maria Loheide von der Diakonie Deutschland kritisierte, dass die Einteilung anhand von Intelligenztests durchgeführt werde. Die Zuständigkeitsgrenze verlaufe am IQ-Wert von 69. In vielen Fällen sei bereits die Klärung der Zuständigkeit ein Problem, es komme zu Doppeldiagnosen: "Kinder und ihre Familien werden zwischen den Behörden hin- und her gereicht", sagte Loheide.

Auch aus ärztlicher Sicht sei die Einteilung nicht sinnvoll, kritisierte Jörg Fegert, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Ulm. "Für uns ist das häufige Problem, dass Kinder mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung auch häufiger psychische Belastungen haben. Das heißt, sie halten sich nicht an den Topf, in dem sie gefördert werden sollen", sagte Fegert.

Die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann (SPD) betonte in Berlin, dass auch sechs Bundesländer hinter dem Appell stünden. Niedersachsen habe bereits die Weichen für eine "große Lösung" gestellt und eine kommunale Zuständigkeit für junge Menschen mit Behinderung geschaffen. Was fehle, sei der bundesgesetzliche Rahmen, so Reimann.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will Mitte September mit betroffenen Familien diskutieren und anschließend im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe mögliche gesetzliche Änderungen prüfen lassen.

(V.Sørensen--DTZ)

Empfohlen

Sieben Menschen nach Fahrraddemo durch Schüsse mit Kunststoffmunition verletzt

In Halle an der Saale sind sieben Menschen von Unbekannten durch Schüsse mit Kunststoffmunition verletzt worden. Wie die Polizei am Samstag mitteilte, ereignete sich der Vorfall am Freitagabend gegen 20.30 Uhr auf dem August-Bebel-Platz. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich dort zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer kurz zuvor beendeten Fahrraddemonstration für eine Mobilitätswende und "Wege für sicheren Radverkehr".

Gewalt bei Protesten in Los Angeles nach Razzien gegen Einwanderer

Nach beispiellosen Razzien der US-Behörden gegen Einwanderer mit dutzenden Festnahmen haben am Freitag (Ortszeit) hunderte Menschen in Los Angeles protestiert - es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Laut Medienberichten zwangen zunächst teils maskierte und bewaffnete US-Beamte in verschiedenen Teilen der Stadt Migranten mit Handschellen in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge. Daraufhin kam es zu Protesten.

Ukraine meldet bislang schwerste russische Angriffe auf Großstadt Charkiw

Bei den nach ukrainischen Angaben bislang schwersten russischen Luftangriffen auf die umkämpfte Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine sind mindestens drei Menschen getötet worden. 17 weitere Menschen seien verletzt worden, erklärte Bürgermeister Ihor Terechow am Samstag im Onlinedienst Telegram und bezeichnete die Angriffe als beispiellos. In der südlichen Hafenstadt Cherson wurden laut Gouverneur Oleksandr Prokudin zwei weitere Menschen getötet.

Mögliches AfD-Verbotsverfahren bleibt in Koalition umstritten

Ein mögliches AfD-Verbotsverfahren bleibt in der schwarz-roten Koalition umstritten. In der SPD-Fraktion seien die Beratungen darüber weit fortgeschritten, sagte Fraktionschef Matthias Miersch der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Ablehnend äußerte sich hingegen erneut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

Textgröße ändern: