Deutsche Tageszeitung - In Israel zeichnet sich schwierige Regierungsbildung ab

In Israel zeichnet sich schwierige Regierungsbildung ab


In Israel zeichnet sich schwierige Regierungsbildung ab
In Israel zeichnet sich schwierige Regierungsbildung ab / Foto: ©

Nach der Parlamentswahl steuert Israel auf eine schwierige Regierungsbildung zu. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer Benny Gantz liegen laut Prognosen dreier Fernsehsender nach Schließung der Wahllokale am Dienstagabend fast gleichauf. Demnach käme der rechtsgerichtete Likud von Netanjahu auf 31 bis 33 Parlamentssitze, die Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Gantz auf 32 bis 34 der 120 Sitze in der Knesset.

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Sollten sich die Prognosen bestätigen, stehen dem Wahlsieger schwierige Gespräche über eine Regierungsbildung bevor. Es zeichnet sich ab, dass weder der Likud und seine traditionellen Verbündeten noch Gantz’ Lager die Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset erreichen.

Netanjahu sprach sich nach der Wahl für die Bildung einer "starken zionistischen Regierung" aus. In den kommenden Tagen werde seine Partei Verhandlungen aufnehmen, "um eine gefährliche antizionistische Regierung zu verhindern", sagte er vor Anhängern in Tel Aviv unter Anspielung auf die arabischen Parteien Israels. Den arabischen Parteien, die laut den Prognosen mit elf bis 13 Sitzen rechnen können, könnte bei der Regierungsbildung eine entscheidende Rolle zukommen. Netanjahu schien damit Offenheit für die Bildung einer Einheitsregierung zu signalisieren, ohne es jedoch ausdrücklich zu sagen.

Netanjahus Herausforderer Gantz sprach sich offen für die Bildung einer Einheitsregierung aus. "Wir werden uns dafür einsetzen, eine breite Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt", sagte Gantz am Mittwoch vor Anhängern in Tel Aviv. "Wir haben die Verhandlungen aufgenommen, und ich werde mit allen sprechen."

Zuvor hatte sich bereits Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman für eine große Koalition ausgesprochen. "Es gibt nur eine Option für uns, und das ist die Bildung einer breiten Regierung der nationalen Einheit", sagte Lieberman vor Anhängern seiner Partei. Er schlug ein gemeinsames Bündnis seiner laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) mit dem Likud von und Blau-Weiß vor.

Liebermans Partei, der in den Prognosen acht bis zehn Sitze vorausgesagt wurden, könnte die Rolle des Königsmachers zufallen. Im Frühjahr war die von Netanjahu angestrebte Koalition mit mehreren kleineren rechtsgerichteten und religiösen Parteien am Widerstand Liebermans gescheitert, der eine Zusammenarbeit mit ultraorthodoxen Parteien ablehnt.

Für Netanjahu, der mit insgesamt gut 13 Jahren an der Regierungsspitze der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels ist, geht es um seinen Machterhalt. Nachdem es ihm nach der Parlamentswahl im April nicht gelungen war, eine Koalition zu bilden, hatte er vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Das Ergebnis scheint den Prognosen zufolge nun fast dasselbe wie im April zu sein. Hinzu kommt, dass Netanjahu eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs droht.

Netanjahu hatte im Wahlkampf auf eine Mischung aus Populismus und staatsmännischem Auftreten gesetzt. Er verwies auf seine engen Beziehungen zu US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin. In den letzten Tagen des Wahlkampfs bestimmte Netanjahu die Schlagzeilen, indem er ankündigte, nach einem möglichen Wahlsieg "sofort" das Jordantal im besetzten Westjordanland zu annektieren.

Noch am Wahltag versuchte Netanjahu seine Anhänger zu mobilisieren. Per Megaphon rief er seine Unterstützer am zentralen Busbahnhof zur Stimmabgabe auf. Gantz kündigte für den Fall eines Wahlsiegs einen "Wandel ohne Korruption und ohne Extremismus" an und ging am Strand von Tel Aviv per Megaphon auf Stimmenfang.

Befürchtungen, in Israel habe sich angesichts der zweiten Abstimmung binnen fünf Monaten Wahlmüdigkeit breit gemacht, bestätigten sich indes nicht. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,4 Prozent und damit höher als bei der Abstimmung im April.

(U.Beriyev--DTZ)