Deutsche Tageszeitung - Israel steht nach Wahl vor neuer Pattsituation

Israel steht nach Wahl vor neuer Pattsituation


Israel steht nach Wahl vor neuer Pattsituation
Israel steht nach Wahl vor neuer Pattsituation / Foto: ©

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu droht nach der Parlamentswahl der Machtverlust: Nach Auszählung fast aller Stimmen lag Netanjahus Likud knapp hinter der Liste Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Herausforderer Benny Gantz, wie israelische Medien am Mittwoch berichteten. Keines der beiden Lage hat aber eine eigene Mehrheit. Diskutiert wurde stattdessen die Möglichkeit einer Einheitsregierung, aber auch ein Ende der Ära Netanjahu schien denkbar.

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Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmzettel kam Netanjahus rechtsgerichteter Likud auf 32 Sitze im Parlament, wie mehrere Medien berichteten. Gantz Liste Blau-Weiß holte demnach ein Mandat mehr. Jedoch kann keine der beiden Parteien alleine oder mit ihren traditionellen Verbündeten eine Regierung bilden. Daher rückt nun die Möglichkeit einer großen Koalition zunehmend in den Fokus.

Netanjahu, der mit gut 13 Jahren an der Regierungsspitze der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels ist, sagte am Mittwoch wegen der unklaren Lage nach der Wahl seine Reise zur Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York in der kommenden Woche ab, wie AFP aus Regierungskreisen erfuhr.

Trotz der schwierigen Ausgangslage bekräftigte Netanjahu am Mittwochabend seinen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs. "Es gibt nur zwei Optionen: eine Regierung unter meiner Führung oder eine gefährliche Regierung, die von den arabischen Parteien abhängig ist." Die Vereinigte Liste der arabischen Parteien dürfte den Berichten zufolge mit 13 Mandaten drittstärkste Kraft in der Knesset werden.

Bereits nach der Parlamentswahl im Frühjahr hatte es eine Pattsituation gegeben, so dass Netanjahu mit einer Regierungsbildung scheiterte. Durch das Ansetzen einer erneuten Parlamentswahl verhinderte der Likud, dass Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragte.

Rivlin will eine dritte Wahl nun vermeiden. Beobachter sehen deshalb die Möglichkeit, dass er diesmal nicht wieder Netanjahu, sondern Gantz mit der Regierungsbildung beauftragen könnte. Netanjahu droht zudem eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs.

"Netanjahus Ära ist vorbei", sagte Ahmed Tibi, einer der führenden Vertreter der arabischen Liste. "Falls Gantz anruft, werden wir ihm unsere Bedingungen für unsere Unterstützung nennen."

Gantz sprach sich für die Bildung einer Einheitsregierung aus. "Wir werden uns dafür einsetzen, eine breite Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt", sagte Gantz.

Auch Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman plädierte für eine große Koalition, wird vermutlich aber nicht in ein Regierungsbündnis mit arabischen und linken Parteien einwilligen. "Es gibt nur eine Option für uns, und das ist die Bildung einer breiten Regierung der nationalen Einheit", sagte Lieberman. Er schlug ein Bündnis seiner laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) mit dem Likud von und Blau-Weiß vor.

Fraglich ist, wer eine Regierung der nationalen Einheit anführen könnte. Denn Gantz hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er mit Netanjahu keine Koalition eingehen würde - ohne allerdings die Idee einer Einheitsregierung auszuschließen. Liebermans Partei könnte mit voraussichtlich neun Sitzen somit die Rolle des Königsmachers zufallen.

Die palästinensische Autonomiebehörde zeigte sich derweil offen für Friedensgespräche mit der künftigen israelischen Regierung. "Wer auch immer in der Lage sein wird, eine Regierung zu bilden, wir sind bereit uns mit ihm oder ihr zusammenzusetzen, um die Verhandlungen neu zu starten", sagte der palästinensische Außenminister Rijad al-Maliki bei einem Besuch in Norwegen.

(V.Korablyov--DTZ)