Seehofer erntet für Einigung zu Flüchtlingen Kritik aus CSU und Lob von Opposition
Für die vorläufige Einigung mehrerer EU-Länder zur Verteilung von geretteten Flüchtlingen muss Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Kritik aus den eigenen Reihen einstecken - und bekommt Lob von der Opposition. Die Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), forderte in der "Welt" vom Dienstag Nachbesserungen an der Vereinbarung. SPD, Linke und Grüne sprachen hingegen von einem richtigen Schritt.
Die Innenminister von Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hatten sich auf ihrem Treffen am Montag auf einen vorläufigen Verteilungsmechanismus von Flüchtlingen im zentralen Mittelmeer geeinigt. Die anvisierte automatische Verteilungsregel soll eine Übergangslösung sein, bis das derzeitige Asylsystem der EU, das sogenannte Dublin-Verfahren, überarbeitet werden kann.
Bevor Deutschland einer Aufnahme von Flüchtlingen per Quote zustimme, "sollte mindestens klar sein, dass nur die Schutzberechtigten unter den Bootsmigranten umverteilt werden", sagte Lindholz der "Welt" (Dienstagsausgabe). Bisher komme die Mehrheit der Geretteten jedoch "aus Staaten mit sehr niedriger Anerkennungsquote", sagte die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag der Zeitung. Die aus Seenot Geretteten pauschal auf mehrere EU-Länder zu verteilen, stünde im Widerspruch zur Beschlusslage der EU, sagte Lindholz weiter.
Hingegen sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch der Nachrichtenagentur AFP: "Ein sehr später, kleiner, aber richtiger Schritt in Richtung Humanismus. Die europäische Idee darf nicht im Mittelmeer begraben werden."
Der zeitlich begrenzte Notfallmechanismus sei ein "wichtiger erster Schritt, um das Vertrauen der Mittelmeeranrainerstaaten zurückzugewinnen", erklärten die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring Eckardt und die Sprecherin der Grünen für Flüchtlingspolitik Luise Amtsberg am Montag. Sie riefen Seehofer auf, "den Forderungen aus seiner eigenen Partei, gerettete Menschen nach Libyen zurückzuführen, eine klare Absage zu erteilen".
Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), wies die Kritik aus den eigenen Reihen zurück. Vorwürfe, hier werde eine Kehrtwende vollzogen, gingen "vollkommen fehl", sagte er der "RadioWelt am Morgen" des Bayerischen Rundfunks. Kein vernünftiger Politiker könne es zulassen, dass "Menschen im Mittelmeer sehenden Auges ertrinken."
Deshalb seien die Staaten gefordert, sich am temporären Notfallmechanismus zu beteiligen, um "dieses unwürdige Schauspiel, das sich gerade in diesem Sommer immer wiederholt hat, zu beenden." Welche Länder sich zudem an dem Notfallmechanismus beteiligen werden, stehe noch nicht fest, so Mayer. Er hoffe aber auf Portugal, Irland und Kroatien. Diese Länder hätten sich auch in der Vergangenheit immer wieder beteiligt.
Im Falle der osteuropäischen Staaten wie Polen und Ungarn zeigte sich der CSU-Politiker weniger optimistisch. "Die Position der osteuropäischen Länder ist natürlich schon sehr festgefahren."
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die Einigung ebenso - und wies die Kritik aus der CDU zurück. Die Übergangslösung sei ein Erfolg für die europäische Solidarität und vor allem für die Humanität, sagte der Kandidat für den SPD-Vorsitz dem Sender NDR Info. Forderungen aus der CSU, nur schutzberechtigte Bootsflüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete der niedersächsische Innenminister als beschämend. Es gehe um geringe Zahlen, die von Deutschland leicht bewältigt werden könnten.
(P.Tomczyk--DTZ)