
Johnson informiert Minister über Entwicklung bei Brexit-Verhandlungen

Im Endspurt bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel beraten beide Seiten separat über die Knackpunkte eines möglichen Kompromisses. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson wollte sein Kabinett am Sonntagmittag über die Verhandlungen informieren. EU-Chefunterhändler Michel Barnier wollte einem EU-Diplomaten zufolge die EU-Botschafter am frühen Sonntagabend über den Stand der jüngsten Gespräche unterrichten und Bilanz zu ziehen.
"Die Hoffnung ist, dass die britischen Unterhändler ausreichend Flexibilität gezeigt haben, um die Verhandlungen fortsetzen und rasch abschließen zu können", sagte der EU-Diplomat der Nachrichtenagentur AFP. "Die Uhr tickt", fügte er hinzu. Der Stand der Brexit-Verhandlungen dürfte auch bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Sonntagabend Thema sein.
Barnier und der britische Brexit-Unterhändler Steve Barclay hatten am Freitag hinter verschlossenen Türen über einen neuen Kompromissvorschlag aus London verhandelt. Anschließend hatten die EU-Staaten grünes Licht für intensivierte Brexit-Gespräche mit London in den kommenden Tagen gegeben. Sollte es dabei zu einem Durchbruch kommen, soll die Vereinbarung beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober beschlossen werden.
Johnson bekräftigte am Sonntag erneut, sein Land Ende des Monats aus der EU führen zu wollen - mit oder ohne Abkommen. "Den Brexit bis 31. Oktober umzusetzen, ist absolut entscheidend", sagte er.
Vergangene Woche hatten Johnson und sein irischer Amtskollege Leo Varadkar in einer gemeinsamen Erklärung signalisiert, dass eine Einigung über die umstrittene Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland möglich sei.
Über den britischen Kompromissvorschlag ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Offenbar sieht er eine "Zollpartnerschaft" zwischen Nordirland und der EU vor. Die EU besteht darauf, dass Zollkontrollen an der irisch-nordirischen Grenze verhindert werden.
Jedoch muss nicht nur Brüssel einem Brexit-Abkommen zustimmen, sondern auch das britische Parlament. Vereinbarungen, die Johnsons Vorgängerin Theresa May mit Brüssel ausgehandelt hatte, fielen bei den Abgeordneten bereits drei Mal durch.
Weil Johnsons konservative Tories keine Mehrheit im Parlament mehr haben, ist der Premier von der Unterstützung der nordirischen Unionisten abhängig. Deren Fraktionsvorsitzender Nigel Dodds betonte gegenüber der italienischen Zeitung "La Repubblica", dass "Nordirland vollständig in einer Zollunion mit dem Vereinigten Königreich bleiben" müsse. "Das weiß Boris Johnson genau", sagte Dodds.
Der linke Oppositionschef Jeremy Corbyn kündigte am Sonntag im Sender Sky an, den EU-Gipfel abzuwarten. "Wir werden uns jede Vereinbarung, die vorgelegt wird, ansehen, bevor wir eine Wahl anstoßen", sagte der Labour-Chef.
Das Parlament hat Johnson Anfang September per Gesetz dazu verpflichtet, eine Brexit-Verschiebung zu beantragen, sollte es bis zum 19. Oktober keine Einigung mit der EU auf ein Abkommen geben.
(I.Beryonev--DTZ)