
Menschenrechtsausschuss des Bundestags fordert klare Worte von Merkel in Indien

Der Menschenrechtsausschuss des Bundestags hat angesichts des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Indien klare Worte der Kanzlerin gegenüber ihren Gastgebern verlangt. Mehrere Abgeordnete zeigten sich in einem Brief an Merkel besorgt über Menschenrechtsverstöße in den mehrheitlich muslimischen Regionen Jammu und Kaschmir. Der bisherige Bundesstaat Jammu und Kaschmir wurde am Donnerstag von der indischen Zentralregierung formell geteilt.
Die Abgeordneten Margarete Bause (Grüne), Frank Heinrich (CDU) und Ute Vogt (SPD) berichteten in dem Brief an Merkel, welcher der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vorliegt, über "willkürliche Inhaftierungen, Folter, Ausgangssperren und vermehrte Festnahmen" in Jammu und Kaschmir.
Als besorgniserregend werden in dem Schreiben demnach die "repressiven Maßnahmen der national-hinduistisch geprägten Regierung gegen muslimische Bevölkerungsteile" und die "moderne Sklaverei" bezeichnet, die meist Frauen treffe.
Die Ausschussmitglieder hätten nichts gegen mehr Kooperation mit Indien einzuwenden: "Allerdings würden wir uns sehr freuen, wenn Sie die Gelegenheit auch nutzen würden, um Ihre Sorge über diese Menschenrechtsverletzungen ins Gespräch zu bringen", heißt es in am Donnerstag veröffentlichten Brief weiter. Es sei "Deutschlands Verpflichtung, Verstöße gegen Freiheit und Menschenrechte nicht zu verschweigen".
Der Krisen-Bundesstaat Jammu und Kaschmir wurde am Donnerstag formell in zwei Gebiete aufgeteilt, die nun direkt der Zentralregierung in Neu Delhi unterstehen. Das Gebiet ist nunmehr unterteilt in den östlichen Teil Ladakh an der Grenze zu China und den westlichen Teil Jammu und Kaschmir an der Grenze zu Pakistan.
Die indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi setzte damit eine Ankündigung von Anfang August um, die zu schweren Spannungen mit Pakistan führte. Neu Delhi hatte damals den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus mit Autonomierechten für den indischen Teil Kaschmirs gestrichen und eine Ausgangssperre in der Region verhängt.
Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit Britisch-Indiens und einem Krieg zwischen Indien und Pakistan 1947 geteilt. Die Region wird aber bis heute sowohl von Indien als auch von Pakistan vollständig beansprucht. Seit 1989 kämpfen mehrere muslimische Rebellengruppen teils für die Unabhängigkeit Kaschmirs, teils für den Anschluss der Region an Pakistan.
Nach der Ankündigung der geplanten Aufteilung Kaschmirs in zwei direkt verwaltete Unionsterritorien wurden tausende Menschen festgenommen, darunter zahlreiche politische Führungspersönlichkeiten. Auch drei Monate später sind noch mehrere hundert Menschen aus Kaschmir inhaftiert. Tausende von Polizisten und andere staatlich bewaffnete Einheiten sind in Srinagar und anderen Städten des Kaschmir-Tals im Einsatz.
Premierminister Modi sagte in seinem Heimat-Bundesstaat Gujarat, der mehrheitlich muslimischen Region Kaschmir stehe nun eine "strahlende Zukunft" bevor. In den vergangenen drei Jahrzehnten seien in dieser Konfliktregion 40.000 Menschen dem "Terrorismus" zum Opfer gefallen.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte vor der von Donnerstag bis Samstag dauernden Indien-Reise der Kanzlerin gesagt, die Bundesregierung wolle in Indien ihre "Unterstützung für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte zum Ausdruck" bringen. Die Bundesregierung sehe die Lage in Kaschmir "mit Sorge". "Unsere Haltung ist klar: Wir werben für Deeskalation, Entspannung und hoffen auf eine friedliche Lösung", sagte Seibert.
An den deutsch-indischen Regierungskonsultationen auf Einladung Modis nehmen auf deutscher Seite neben Merkel elf Regierungsvertreter teil, darunter Außenminister Heiko Maas (SPD). Themen sind nach Angaben Seiberts die Vertiefung der strategischen Partnerschaft, Handel, Digitalisierung sowie Entwicklung und Nachhaltigkeit. Ein Haupttag der Konsultationen ist der Freitag. Dann ist unter anderem ein Runder Tisch zu Wirtschaftsfragen unter Vorsitz von Merkel und Modi geplant.
(U.Beriyev--DTZ)