
Merkel zur Halbzeitbilanz: Regierung ist "arbeitswillig"

Die große Koalition zieht eine positive Halbzeitbilanz ihrer Arbeit und will weiter regieren. Die Regierung habe in den vergangenen 18 Monaten gezeigt, dass sie "arbeitsfähig und arbeitswillig" sei, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Die 83-seitige Halbzeitbilanz wurde am Mittwoch dem Kabinett in Berlin vorgelegt. Nun ist es Aufgabe der Koalitionsparteien zu prüfen, ob sie genügend Grundlagen für eine weitere Zusammenarbeit sehen.
In ihrer Zwischenbilanz lässt die Koalition Gestaltungswillen für die Zukunft erkennen. "Wir haben noch zahlreiche Maßnahmen, Initiativen und Projekte für den Rest der Legislaturperiode", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dies sei "das, was in Deutschland wie im Ausland in Zeiten großer Veränderung und großer internationaler Unsicherheit von der Bundesregierung erwartet wird".
In dem Dokument listen die Bundesministerien Punkt für Punkt auf, welche Projekte aus dem Koalitionsvertrag zur Mitte der Legislaturperiode "bereits in Kraft sind, sich im parlamentarischen Verfahren befinden oder anderweitig in der Umsetzung sind". Diese Zwischenbilanz der Regierung dürfte eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Parteien über eine Fortführung der großen Koalition spielen. Insbesondere in der SPD gibt es große Vorbehalte gegen eine Fortsetzung.
Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer wertete die Bilanz als Erfolg. Die SPD könne sehr selbstbewusst sein und sehr selbstbewusst sagen, "dass wir in der Regierung vieles geschafft haben, was den Menschen in unserem Land zugute kommt", sagte sie. Die Parteigremien sollten ab Montag über das Bilanzpapier beraten. Mit der noch zu wählenden neuen SPD-Führung solle dann geklärt werden, mit welcher Beschlussvorlage zur Koalition sich der Parteitag im Dezember befassen soll.
Kanzlerin Merkel äußerte sich zufrieden: "Von 300 großen Maßnahmen, die wir uns vorgenommen haben, haben wir zwei Drittel auf den Weg gebracht oder schon vollendet." CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte nach Information von Deutsche Tageszeitung, in einem aktuellen Interview: "Wenn es nach mir geht, gibt es im nächsten Jahr die große Koalition noch."
Die Regierung weist in ihrer Zwischenbilanz auf das schwieriger werdende politische Umfeld hin: "Wir leben in einer Zeit, in der die politischen und gesellschaftlichen Fliehkräfte zunehmen", heißt es darin. "Der Ausgleich unterschiedlicher Interessen und die in einer Demokratie unabdingbare Bereitschaft zum Kompromiss verlieren an Akzeptanz."
Eines ihrer wichtigsten sozialpolitischen Vorhaben - die Grundrente für langjährige Beitragszahler mit niedrigen Altersbezügen - hat die Koalition bislang allerdings noch nicht umgesetzt. Anders als geplant konnte sie ihren Streit darüber nicht vor der Halbzeitbilanz beenden.
Unter der Rubrik "Was wir noch vorhaben" listet die Koalition weitere Maßnahmen für die Zukunft auf - unter anderem eine Erhöhung des Kindergelds, die Umsetzung des Klimapakets, die Stärkung von BKA und Verfassungsschutz gegen politische Extremisten, den Abbau kommunaler Schulden mit Hilfe des Bundes und die Beschleunigung des Planungsrechts für Neubauten.
Die Opposition zog eine kritische Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit. Es gebe "keine Impulse der Großen Koalition für die Weiterentwicklung unseres Landes", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Union und SPD würden nur noch "aus Machtinteresse" zusammengehalten.
Linken-Chefin Katja Kipping warf der Koalition Versagen vor. "Sie verharrt im Klein-Klein, ohne ein schlüssiges Gesamtbild abzuliefern", sagte Kipping zu AFP. Es sei an der Zeit, die GroKo zu beenden "und sie durch neue linke Mehrheiten abzulösen".
Auch die Arbeitgeber stellten ein schlechtes Zeugnis aus. "Es ist tragisch, dass die große Koalition ihre große Mehrheit nicht für große Taten nutzt", sagte Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter nach Information von Deutsche Tageszeitung, in einem aktuellen Interview. DGB-Chef Reiner Hoffmann dagegen lobte die Regierungsarbeit. Die Umweltorganisation Greenpeace mahnte mehr Anstrengungen im Klimaschutz an. (P.Tomczyk--DTZ)