
Walter-Borjans will unter Umständen doch einen SPD-Kanzlerkandidaten

Der SPD-Vorsitzkandidat Norbert Walter-Borjans hat seine Forderung nach einem Verzicht seiner Partei auf einen eigenen Kanzlerkandidaten abgemildert. Wenn sich vor der nächsten Bundestagswahl abzeichne, dass die SPD eine Regierung führen könne, "werden wir natürlich sagen, wer Kanzler werden soll", sagte Walter-Borjans den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Online Sonntag, Printausgaben Montag). Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister hielt sich auch offen, selbst als Spitzenkandidat anzutreten.
Walter-Borjans hatte vor wenigen Tagen dem "Spiegel" gesagt, er glaube nicht, dass die SPD derzeit in der Position sei, "einen Kanzlerkandidaten aufzustellen". Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gegenüber betonte der Kandidat für den Parteivorsitz nun, er wolle zunächst Vertrauen für die SPD zurückgewinnen, "ein klares Programm benennen und so wieder zu Kräften kommen." Gelinge dies, "dann wollen wir natürlich auch die Regierung führen", stelle Walter-Borjans klar.
Die derzeitigen Umfragewerte für die SPD von unter 15 Prozent nannte Walter-Borjans "dramatisch zu niedrig und der Sozialdemokratie nicht würdig". Die Menschen würden "verdutzt gucken, wenn wir da einfach einen Kanzlerkandidaten nominieren", bekräftigte er.
Walter-Borjans und seine Mitstreiterin für den Parteivorsitz, Saskia Esken, betonten in dem Interview mit den Zeitungen auch, dass sie sich bessere Wahlergebnisse zutrauten. "Wenn wir beide Vorsitzende werden, bin ich ziemlich sicher, dass die SPD relativ schnell bessere Umfragewerte bekommt. Wir können einen Stimmungsumschwung erzeugen", sagte Walter-Borjans. Esken sagte, in der Bevölkerung gebe es ein "Potenzial von gut 35 Prozent" für die Sozialdemokratie.
Beide Bewerber hielten sich eine eigene Kanzlerkandidatur offen. Walter-Borjans betonte, er gebe "keine Verzichtserklärung" ab. "Wer hier Nein sagt, verliert unnötig Führungsautorität." Esken sagte, wenn man den Vorsitz der SPD anstrebe, müsse man "damit rechnen, dass auch weitere Aufgaben auf einen zukommen".
Auf die Frage, ob es vorstellbar sei, dass das Bewerberduo auch Finanzminister Olaf Scholz, der ebenfalls für den Parteivorsitz kandidiert, oder Familienministerin Franziska Giffey den Vortritt lassen würden, sagte Walter-Borjans "theoretisch ja". Es gebe "eine Menge Leute", die für eine Kanzlerkandidatur infrage kämen.
(M.Dylatov--DTZ)