Deutsche Tageszeitung - Europäisches Menschenrechtsgericht fordert Freilassung von Osman Kavala

Europäisches Menschenrechtsgericht fordert Freilassung von Osman Kavala


Europäisches Menschenrechtsgericht fordert Freilassung von Osman Kavala
Europäisches Menschenrechtsgericht fordert Freilassung von Osman Kavala / Foto: ©

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei zur "sofortigen Freilassung" des seit mehr als zwei Jahren inhaftierten Bürgerrechtlers und Kulturmäzens Osman Kavala aufgefordert. Die Regierung müsse "alle notwendigen Maßnahmen treffen, um der Inhaftierung des Klägers ein Ende zu setzen und seine umgehende Freilassung einzuleiten", erklärte das Gericht am Dienstag und kritisierte einen Versuch, "Kavala zum Schweigen zu bringen und mit ihm alle Verteidiger der Menschenrechte".

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Das Gericht verurteilte die Türkei in dem Fall wegen der Verletzung von Kavalas "Recht auf Freiheit und Sicherheit". Zudem habe die türkische Justiz nicht ausreichend schnell über die Legalität seiner Inhaftierung entschieden. Die Justiz habe nicht zeigen können, dass die Inhaftierung Kavalas durch einen auf der objektiven Prüfung der ihm zur Last gelegten Vorwürfe begründeten Verdacht gerechtfertigt sei, erklärten die Richter in Straßburg.

Der renommierte Unternehmer und Kulturförderer Kavala war im Oktober 2017 festgenommen worden und sitzt bis heute in Untersuchungshaft. Erst nach mehr als einem Jahr legte die Staatsanwaltschaft in dem Fall eine Anklageschrift vor. Kavala wird darin zusammen mit 15 weiteren Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft vorgeworfen, die regierungskritischen Gezi-Proteste im Sommer 2013 finanziert und organisiert zu haben.

Die Proteste hatten sich im Mai 2013 an Plänen des damaligen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan zur Bebauung des Istanbuler Gezi-Parks entzündet. Nach einem brutalen Polizeieinsatz gegen Umweltschützer weiteten sie sich aufs ganze Land aus. Erst nach Wochen gelang es Erdogan, die Protestbewegung niederzuschlagen. Der heutige Staatspräsident betrachtet sie heute als Verschwörung zum Sturz seiner Regierung.

Ein Gericht in Istanbul muss bei der nächsten Verhandlung am 24. Dezember erneut über einen Antrag auf Freilassung Kavalas entscheiden. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei eigentlich zur Umsetzung der Urteile des Straßburger Tribunals verpflichtet. Es ist aber fraglich, ob sich die türkischen Richter an das Urteil halten, da sich die türkische Justiz in ähnlichen Fällen bereits über Entscheidungen des EGMR hinweggesetzt hat.

Der Prozess gegen Kavala trifft international auf scharfe Kritik. Der Unternehmer hatte sich vor seiner Festnahme mit seiner Organisation Anadolu Kültür für den Dialog der Volksgruppen eingesetzt und einen der größten Verlage der Türkei betrieben. Zudem war er international ein gefragter Kooperationspartner. Am Tag seiner Festnahme in Istanbul kam er gerade von einer Besprechung mit dem Goethe-Institut im südtürkischen Gaziantep.

Der EGMR hatte im November 2018 im Fall des inhaftierten Kurdenpolitikers Selahattin Demirtas ebenfalls die sofortige Freilassung gefordert, da die zweijährige Untersuchungshaft seine Rechte verletze und politisch motiviert sei. Präsident Erdogan erklärte daraufhin aber, die Türkei sei nicht an die Entscheidungen des Straßburger Gerichts gebunden. Ein türkisches Gericht lehnte wenig später die Freilassung von Demirtas ab.

(I.Beryonev--DTZ)