Deutsche Tageszeitung - Massive Proteste in Algerien nach Wahl von Ex-Regierungschef zum Präsidenten

Massive Proteste in Algerien nach Wahl von Ex-Regierungschef zum Präsidenten


Massive Proteste in Algerien nach Wahl von Ex-Regierungschef zum Präsidenten
Massive Proteste in Algerien nach Wahl von Ex-Regierungschef zum Präsidenten / Foto: ©

Unter massiven Protesten ist der algerische Ex-Regierungschef und frühere Vertraute des langjährigen Staatschefs Abdelaziz Bouteflika, Abdelmadjid Tebboune, zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden. Der 74-Jährige habe gut 58 Prozent der Stimmen erhalten, teilte die Wahlbehörde des nordafrikanischen Landes am Freitag mit. In Algier füllten sich die Straßen nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses mit Demonstranten. Die Protestbewegung "Hirak" hatte den Urnengang boykottiert.

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Unter dem Motto "Tebboune ist nicht mein Präsident" hatte die Protestbewegung im Internet zu neuen Demonstrationen gegen die Wahl aufgerufen. "Eure Wahl ist manipuliert" und "Euer Präsident wird uns nicht regieren", skandierten die Demonstranten am Freitag im Zentrum der algerischen Hauptstadt, bevor die Protestaktion am späten Nachmittag friedlich zu Ende ging.

"Tebboune ist schlimmer als Bouteflika. Er ist bekannt dafür, einer der Diebe zu sein", sagte die 31-jährige Verwaltungsbeamtin Meriem. "Wir sind nicht zur Wahl gegangen, und wir werden nicht aufgeben", fügte sie hinzu.

Tebboune war unter Bouteflika mehrfach Minister und 2017 schließlich drei Monate lang Ministerpräsident. Weil er Mitglieder des inneren Zirkels um den damaligen Staatschef kritisiert hatte, wurde er kurzerhand wieder abgesetzt. Tebboune hatte im Wahlkampf versucht, sich von seiner Arbeit als Regierungsmitglied Bouteflikas zu distanzieren.

Am Freitag versuchte Tebboune erneut, einen Schritt auf die Protestbewegung zuzugehen. Er strecke "Hirak" seine Hand aus, sagte der neugewählte Präsident auf seiner ersten Pressekonferenz. Er wolle mit der Protestbewegung in einen Dialog treten, um "ein neues Algerien" aufzubauen.

Zudem versprach der 74-Jährige eine Reihe von Verfassungsreformen, darunter ein neues Wahlgesetz. Er kündigte zudem an, die Pressefreiheit zu verteidigen und sich gegen Korruption einzusetzen.

Zuvor hatte der französische Präsident Emmanuel Macron die neue algerische Führung zum "Dialog" mit der Bevölkerung aufgerufen. Er hoffe, dass die Forderungen der Algerier Gehör fänden, sagte Macron beim EU-Gipfel in Brüssel.

An der Präsidentschaftswahl in Algerien hatten sich laut Wahlbehörde so wenige Menschen beteiligt wie noch nie seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1962. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei 39,83 Prozent. Sie war damit mehr als zehn Prozentpunkte niedriger als bei der vorangegangenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2014, bei der Bouteflika seinen vierten Sieg errungen hatte.

Zu der Präsidentschaftswahl waren fünf Kandidaten zugelassen gewesen. Ihnen allen wurde vorgeworfen, dem alten Führungszirkel aus der Bouteflika-Ära anzugehören. Drei von ihnen waren in früheren Regierungen von Bouteflika vertreten, davon zwei als Ministerpräsidenten. Tebboune wird eine große Nähe zum Armeechef Ahmed Gaid Salah nachgesagt. Gaid Salah gilt seit dem Rücktritt Bouteflikas im April als starker Mann Algeriens.

In mehreren algerischen Städten gab es am Wahltag massive Proteste. Allein in der Hauptstadt Algier gingen zehntausende Menschen auf die Straße, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Ein Wahllokal wurde von Demonstranten gestürmt und vorübergehend besetzt.

In der Bergregion Kabylie, wo ein Großteil der Berber-Minderheit lebt, kam es nach Angaben von Bewohnern zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, nachdem Demonstranten eine Reihe von Wahllokalen geplündert hatten.

Die Protestbewegung, die sich im Februar formierte, hatte den seit 20 Jahren herrschenden Bouteflika im April wenige Wochen vor dem offiziellen Ende seiner vierten Amtszeit zum Rücktritt gezwungen. Eine für den 4. Juli geplante Wahl seines Nachfolgers war aus Mangel an Kandidaten verschoben worden. Die Protestbewegung fordert weitreichende politische Reformen vor einem Urnengang und lehnte die Wahl deshalb ab.

(M.Dylatov--DTZ)