
Grüne wollen Wirtschaft klimafreundlicher und Arbeitsmarkt gerechter machen

Die Grünen starten mit dem Anspruch ins neue Jahr, die Wirtschaft klimafreundlicher und die Arbeitswelt gerechter zu machen. Der Bundesvorstand verabschiedete auf seiner Klausurtagung in Hamburg Konzepte für eine klimafreundliche Industrieproduktion und Maßnahmen gegen den Niedriglohnsektor. "Die Wirtschaft erfindet sich in diesem Jahrzehnt neu", sagte Parteichefin Annalena Baerbock. Nach Ansicht von Ko-Parteichef Robert Habeck gefährdet der Niedriglohnsektor die soziale Stabilität in Deutschland.
Im Beschluss zur Wirtschaftspolitik schlägt die Grünen-Spitze Maßnahmen zur Förderung energieintensiver Unternehmen etwa aus der Stahl-, Aluminium- oder Zementbranche vor. Investitionen in CO2-neutrale Industrieprozesse lohnten meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die es im dafür zuständigen europäischen Emissionshandelssystem bislang aber noch nicht gebe. Damit sich solche Investitionen schon heute rechnen, solle den Unternehmen die Differenz zwischen dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstattet werden, die durch die Investitionen in neue Technologien entstehen.
Auch die Finanzierung der zusätzlichen Investitionskosten für saubere Technologien könne ein Weg sein, anstatt weiterhin kostenlose Zertifikate im Emissionshandel auszugeben. Die CO2-neutrale Aluminium-Herstellung sei sehr kostenintensiv, deshalb müsse sie gefördert werden, sagte Baerbock. Die Unternehmen bräuchten aber "klare politische Leitplanken", damit es Planungssicherheit gebe.
Der Beschluss sieht zudem den unbürokratischen Zugang zu einem Gründungskapital von bis zu 25.000 Euro für Startup-Unternehmen vor. Deren Wachstumsphase solle durch einen öffentlichen Zukunftsfonds abgesichert werden, in dem der Staat als stiller Teilhaber fungiere, sagte Baerbock. Dadurch solle ein Aufkauf verhindert werden.
Das am Dienstag auf der Klausur beschlossene Konzept zur Arbeitsmarktpolitik sieht vor, für Minijobs eine Sozialversicherungspflicht einzuführen und die Zuverdienstmöglichkeiten für Bezieher von Hartz IV zu erhöhen. In einem ersten Schritt sollten alle Empfänger "mindestens 30 statt bislang maximal 20 Prozent des selbst verdienten Einkommens behalten können", heißt es in dem Beschluss. Ein Grund für die in Deutschland tendenziell ansteigende Armutsquote sei der im internationalen Vergleich große Niedriglohnsektor, heißt es in dem Papier weiter.
In dem Papier fordern die Grünen Honorarordnungen und Mindesthonorare für Selbstständige "in Bereichen, in denen dies möglich ist". Die Verhinderung der Gründung eines Betriebsrat solle als Straftat geahndet werden. Bekräftigt wird die Forderung nach einer sofortigen Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro.
Die Angst vor einem Abrutschen in den Niedriglohnsektor "zerfrisst den stabilen Kern einer Gesellschaft", sagte Habeck. Er bekräftigte zudem den Anspruch seiner Partei, weitere Teile der Bevölkerung zu erreichen. Die Grünen wollten als "Bündnispartei inhaltlich, personell und strukturell in die Breite der Gesellschaft ausgreifen".
Die Klausurtagung in Hamburg stand zudem im Zeichen der dortigen Bürgerschaftswahl. Die Grünen wollen die SPD als stärkste Kraft ablösen und mit der bisherigen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank erstmals die Erste Bürgermeisterin in der Hansestadt stellen. Die Bürgerschaftswahl werde Hamburg "nach 199 Männern vielleicht erstmals eine Frau als Bürgermeisterin bescheren", sagte Habeck mit Blick auf die Geschichte der Hansestadt, in der das Amt des Stadtoberhauptes sei jeher von Männern bekleidet wurde.
(V.Sørensen--DTZ)