Deutsche Tageszeitung - Türkei wirft der EU vor Merkel-Besuch Verstöße gegen Flüchtlingsabkommen vor

Türkei wirft der EU vor Merkel-Besuch Verstöße gegen Flüchtlingsabkommen vor


Türkei wirft der EU vor Merkel-Besuch Verstöße gegen Flüchtlingsabkommen vor
Türkei wirft der EU vor Merkel-Besuch Verstöße gegen Flüchtlingsabkommen vor / Foto: ©

Vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Istanbul hat die türkische Regierung der EU Verstöße gegen das Flüchtlingsabkommen vorgeworfen. Die Europäer hätten zugesagte Gelder in Milliardenhöhe nicht vollständig ausgezahlt, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu der "Bild"-Zeitung. Derweil drängten deutsche Hilfsorganisationen und Oppositionspolitiker Merkel zu einer harten Gangart bei den geplanten Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Textgröße ändern:

Die EU habe versprochen, Ende 2016 und Ende 2018 jeweils drei Milliarden Euro zu zahlen, sagte Cavusoglu. "Jetzt haben wir 2020, und wir haben noch immer nicht die ersten drei Milliarden Euro vollständig erhalten."

Neben den finanziellen seien auch weitere Vereinbarungen nicht eingehalten worden, kritisierte Cavusoglu. Es habe keine Erweiterung der Zollunion und auch kein neues Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen gegeben. "Schon allein aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, hätten wir unsere Grenzen öffnen können. Wir waren dazu berechtigt, aber haben es nicht getan. Unser Präsident hat gesagt: Dann nehmen Sie doch die Flüchtlinge – und Sie haben das als Drohung wahrgenommen?" Trotz allem sei die Türkei aber für eine Fortsetzung des Abkommens.

Merkel reist am Freitag zu einem Treffen mit Erdogan nach Istanbul. Hauptthemen der Gespräche dürften die Flüchtlingspolitik sowie die Konflikte in Syrien und Libyen sein. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln und vielfacher Drohungen Erdogans besteht die Sorge, dass der zwischen der EU und der Türkei bestehende Flüchtlingspakt gefährdet ist.

Seit dem im März 2016 geschlossenen Abkommen ist die Zahl der über die Türkei in die Europäische Union gelangenden Syrer deutlich gesunken. Zuletzt nahm deren Zahl aber wieder zu. Viele von ihnen flüchten wie zur Zeit der Krise von 2015 von der türkischen Küste mit Booten auf griechische Ägäis-Inseln.

In dem Abkommen verpflichtete sich Ankara, alle neu auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Die EU versprach im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion.

Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International übte vor Merkels Reise scharfe Kritik an dem Abkommen. Dieses sei ein "menschen- und asylrechtliches Desaster", erklärte die Referentin für Flucht und Migration bei Medico International, Ramona Lenz. Sie prangerte Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen Flüchtlinge sowohl in der Türkei als auch in Griechenland an und forderte eine "neue politische Grundlage für die Neuaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen und Migranten in Europa".

Aus der Linkspartei kamen Rufe nach einem grundlegenden Kurswechsel in der deutschen Türkeipolitik. Linken-Außenexpertin Sevim Dagdelen forderte eine "Verurteilung der türkischen Außenpolitik" durch Merkel. Statt den Flüchtlingspakt mit Erdogan zu erneuern, müsse die Bundesregierung endlich die Fluchtursachen in der Region angehen und dafür die deutschen Waffenexporte in die Türkei stoppen.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Helin Evrim Sommer, regte in der "Welt" eine Aufkündigung der wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei an. Sie verwies dabei auf "rund 60 deutsche Staatsbürger" in türkischer Haft.

(V.Korablyov--DTZ)

Empfohlen

Baerbock fordert von Deutschland und EU mehr Investitionen in Sicherheit

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Deutschland und die EU aufgefordert, mehr in die Sicherheit zu investieren. Der europäische Pfeiler in der Nato müsse gestärkt werden, unabhängig davon, wer demnächst in den USA regiert, sagte Baerbock am Freitag bei einer Veranstaltung der "Zeit". "Die Vorstellung, dass wir uns nicht verteidigen müssen, hat (Russlands Präsident Wladimir) Putin zerbombt."

Trump trifft Netanjahu und warnt vor "drittem Weltkrieg" bei Wahlniederlage

Ex-US-Präsident Donald Trump hat bei einem Treffen mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor einem "dritten Weltkrieg" gewarnt, sollten seine Republikaner nicht die Präsidentschaftswahl gewinnen. "Wenn wir gewinnen, wird alles ganz einfach. Dann klappt alles und ganz schnell", sagte Trump, der am Freitag Netanjahu und dessen Frau an seinem Anwesen in Florida empfing. "Wenn wir nicht gewinnen, gibt es große Kriege im Nahen Osten und vielleicht den dritten Weltkrieg."

Israels Armee: Bereiten "entscheidende Offensive" gegen Hisbollah im Libanon vor

Die israelische Armee bereitet laut eigenen Angaben eine "entscheidende Offensive" gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon vor. Die Truppen bereiteten sich auf den "Übergang zur Offensive" vor, sagte der israelische Generalmajor Ori Gordin laut Militärangaben vom Freitag. "Wenn der Moment kommt und wir in die Offensive gehen, wird es eine entscheidende Offensive", fügte er hinzu.

Russisches Kriegsschiff legt für Zwischenstopp in Algerien an

Das modernste Kriegsschiff der russischen Flotte, die "Admiral Gorschkow", macht laut Angaben aus Moskau für einen Zwischenstopp in Algerien Station. Das mit Hyperschallraketen ausgestattete Schiff habe am Freitag für mehrere Tage im Hafen von Oran am Mittelmeer angelegt, teilte das russische Verteidigungsministerium. Laut der Nachrichtenagentur Tass wird das Schiff vom Tanker "Akademik Paschin" begleitet.

Textgröße ändern: