OLG: Wegen Corona-Gefahr darf Untersuchungshaft verlängert werden
Aufgrund der Verschiebung einer Hauptverhandlung vor Gericht wegen der Corona-Gefahr kann die Untersuchungshaft für Angeklagte verlängert werden. Das entschied der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg in Sachsen-Anhalt in einem am Montag veröffentlichten Urteil. Grundsätzlich beträgt die maximale Dauer der Untersuchungshaft sechs Monate. Eine Prozessverschiebung wegen der aktuellen Gefährdungslage könne aber einen wichtigen Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft über diese Frist hinaus darstellen, entschied das OLG bereits am Montag vergangener Woche. (Az: 1 Ws HE 4/20)
Die Verschiebung der Hauptverhandlung stelle "keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot dar". Vielmehr sei sie unter Beachtung der derzeitigen Gefahrenlage geboten und angemessen. Die Verschiebung beruhe auf einem wichtigen Grund und rechtfertige die Fortdauer der Haft.
Im konkreten Fall ging es um den Prozess gegen zwei Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Sie sitzen seit dem 26. September in Untersuchungshaft. Anfang März eröffnete die zuständige Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau das Hauptverfahren, der Prozessbeginn wurde für den 24. März bestimmt.
Unmittelbar davor hob der Vorsitzende Richter die Hauptverhandlungstermine auf Antrag eines Verteidigers wegen der Corona-Epidemie auf und bestimmte einen neuen Prozessbeginn für Mitte April. Zugleich legte die Strafkammer das Verfahren dem OLG zur Prüfung vor.
Laut Strafprozessordnung darf die Untersuchungshaft ohne ein Urteil nur dann länger als sechs Monate vollzogen werden, wenn die besondere Schwierigkeit, der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Laut OLG liegen diese Voraussetzungen vor.
Es sei "in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Interessen der Allgemeinheit an einer funktionierenden Strafrechtspflege und die Interessen des Angeklagten an einer zügigen Erledigung des Strafverfahrens oder die mit der Durchführung einer Hauptverhandlung verbundenen gesundheitlichen Gefahren überwiegen". In der konkreten Situation könne die Hauptverhandlung insbesondere wegen Schwierigkeiten bei der Einhaltung des Abstandsgebots mit einem erheblichen Risiko behaftet sein, das nicht durch das Gericht oder die Justizbehörden zu vertreten sei.
(U.Beriyev--DTZ)