Verfassungsgericht lässt Ausnahmen von Gottesdienstverbot vorläufig zu
Das Bundesverfassungsgericht lässt Ausnahmen vom wegen der Corona-Krise verhängten generellen Verbot von Gottesdiensten in Kirchen, Moscheen und Synagogen zu. Mit einem Beschluss vom Mittwoch setzte die zweite Kammer des Ersten Senats das vom Land Niedersachsen erlassene Verbot mit einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug. Demnach können im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen zugelassen werden.
Ein Verein mit rund 1300 Mitgliedern hatte beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eine Normenkontrollklage eingelegt, weil er während des muslimischen Fastenmonats Ramadan das Freitagsgebet in der von ihm genutzten Moschee abhalten will. Ziel war es, das in der niedersächsischen Corona-Verordnung enthaltene Verbot von Gottesdiensten für ungültig zu erklären, da die für Verkaufsstellen und Läden geltenden Schutzvorkehrungen eingehalten werden könnten.
Das Oberverwaltungsgericht sah zwar einen "überaus schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Glaubensfreiheit", verwies aber auf einen "wegen der Gleichzeitigkeit von Gebeten und Gesängen" zu erwartenden "hohen Virenausstoß". Den Antrag auf eine Außervollzugsetzung des Verbots lehnte das Gericht ab.
Die Verfassungsrichter gaben nun dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt, damit die Antragsteller nicht bis zum Abschluss eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens warten müssen - "obwohl eine Verfassungsbeschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts voraussichtlich Erfolg hätte", teilte das Bundesverfassungsgericht mit. Die Annahme des OVG, dass die Gefährdungslage bei Einkäufen und Gottesdiensten unterschiedlich beurteilt werden könne, beanstandeten die Karlsruher Richter nicht.
In diesem Punkt hatte der Antragsteller jedoch darauf verwiesen, dass in seinen Freitagsgebeten nicht gesungen werde und beim Gemeinschaftsgebet nur der Imam laut vorbete. Als Schutzvorkehrungen schlug er eine Maskenpflicht, die Markierung der Stellen zum Beten und vier Mal größere Sicherheitsabstände als in Geschäften vorgeschrieben vor. Zudem habe er von den zuständigen theologischen Instanzen die Genehmigung erhalten, mehrere Freitagsgebete abzuhalten und die einzelnen Veranstaltungen klein zu halten.
Bei einem Antrag auf die ausnahmsweise Zulassung von Gottesdiensten, wie er nun auch vom Antragsteller eingelegt werden könne, sei "maßgeblich für die Risikoeinschätzung das Gewicht des mit dem Verbot verbundenen Eingriffs in die Glaubensfreiheit, das hier insbesondere hinsichtlich des Freitagsgebets im Fastenmonat Ramadan besonders groß" sei, erklärten die Verfassungsrichter. Auf der anderen Seite bestehe unter anderem auch die Möglichkeit, die Einhaltung von Auflagen und Beschränkungen effektiv kontrollieren zu können.
Die Zuständigkeit dafür, inwiefern Gottesdienste stattfinden dürfen, ist Sache der Länder.
(V.Sørensen--DTZ)