Grüne fordern Milliarden-Programme zur Abfederung der Corona-Folgen
Mehr Klarheit über die harten Schutzmaßnahmen und Milliarden-Programme zur Bewältigung der sozialen Folgen - das sind die Forderungen der Grünen in der Corona-Krise. Auf dem digitalen Länderrat beschloss die Partei am Samstag fast einmütig einen Antrag des Bundesvorstands für ein 100-Milliarden-Konjunkturprogramm sowie ein EU-Programm von einer Billion Euro, das durch gemeinsame Anleihen finanziert wird. Investitionen sollen dabei jeweils auch dem Klimaschutz dienen.
Der kleine Parteitag fand als erster Parteitag in Deutschland komplett digital im Internet statt. Die meisten Redebeiträge wurden live zugeschaltet, andere als Video einspielt. Die rund hundert Delegierten stimmten online ab.
Parteichefin Annalena Baerbock rief die Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, die Beschränkungen wegen der Pandemie besser zu begründen als bisher. Es müsse jeden Tag überprüft werden, ob die "massiven Grundrechtseinschränkungen" gerechtfertigt seien oder "ob es nicht mildere Mittel gibt". Die Kriterien dafür seien "nicht immer klar genug kommuniziert worden". Der durch den Shutdown verursachte Rückzug ins Private sei in gewissem Maße in Ordnung, sagte Ko-Parteichef Robert Habeck, "aber auf Dauer geht es nicht."
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rief die Bevölkerung zur Geduld auf. Wenn Schutzmaßnahmen überstürzt gelockert würden, könne bei einer neuen Infektionswelle ein weiterer Shutdown erforderlich sein, warnte er. Wenn aber Maskenpflicht und Hygieneregeln eingehalten würden und die Tracing-App zur Verfügung stehe, könnten im Gegenzug Beschränkungen gelockert werden.
Das geforderte 100-Milliarden-Programm soll greifen, wenn die Wirtschaft nach dem Shutdown wieder angefahren werden kann. Zur Abfederung der wirtschaftlichen Corona-Folgen schlagen die Grünen in ihrem Papier Hilfen für den Einzelhandel vor. In der zweiten Jahreshälfte solle ein Fonds in Höhe von 20 Milliarden Euro aufgelegt werden, der sich aus Kaufanreizen in Form von Kauf-Vor-Ort-Gutscheinen sowie direkten Zuschüssen zusammensetzt.
Hilfen für die Industrie wollen die Grünen mit mehr Klimaschutz verknüpfen: "Wir müssen auf der einen Seite kurzfristig stimulieren und stabilisieren und zudem den Kurs in Richtung Klimaneutralität und Zukunftsfähigkeit setzen." Investitionen müssten der notwendigen ökologischen Modernisierung dienen, "damit die Unternehmen den Einstieg ins klimaneutrale Zeitalter nicht verpassen". Es sei richtig, auch die Autoindustrie zu retten, "aber wir müssen sie umbauen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter.
Die Grünen treten zudem dafür ein, die EEG-Umlage für Ökostrom ab dem 1. Juli um fünf Cent pro Kilowattstunde zu reduzieren. "Das setzt langfristig ökologisch richtige Anreize, denn wir brauchen die Elektrifizierung weiterer Sektoren", heißt es in dem Beschluss. "Bis Ende 2021 kann damit zudem ein Kaufkraft-Effekt von 22 Milliarden Euro erreicht werden." Zusätzliche Unterstützung soll es für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen geben.
Der frühere EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker schlug in einem Gastbeitag gemeinsame "Solidaritätsbonds" vor, um die finanziellen Lasten der Krise bewältigen zu können. Er sprach sich zudem für eine rasche Öffnung der Grenzen aus. Zöllner und Polizisten könnten das Virus nicht stoppen.
In einem weiteren Beschluss bekannten sich die Grünen zum Recht auf Asyl und zur Seenotrettung im Mittelmeer auch in der Zeit der Pandemie. Aus den Flüchtlingslagern in Griechenland müssten kurzfristig zuerst besonders schutzbedürftige Menschen evakuiert werden, Familiennachzug müsse wieder möglich sein.
(U.Stolizkaya--DTZ)