Deutsche Tageszeitung - Kommunen und Handel warnen trotz Galeria-Rettung vor aussterbenden Innenstädten

Kommunen und Handel warnen trotz Galeria-Rettung vor aussterbenden Innenstädten


Kommunen und Handel warnen trotz Galeria-Rettung vor aussterbenden Innenstädten
Kommunen und Handel warnen trotz Galeria-Rettung vor aussterbenden Innenstädten / Foto: ©

Um die Einkaufsstraßen in vielen deutschen Städten steht es seit langem nicht gut - zur Online-Konkurrenz und der Corona-Krise kommt nun mancherorts die Schließung großer Kaufhäuser von Karstadt oder Kaufhof hinzu. Der Deutsche Städtetag lobte am Dienstag die geplante Sanierung der insolventen Warenhauskette und den von der Gläubigerversammlung abgenickten Insolvenzplan. Gleichzeitig warnen die Kommunen vor den Folgen der verbleibenden Filialschließungen für die Innenstädte.

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"Von den 172 Filialen können voraussichtlich 126 Standorte gerettet werden. Darüber sind wir sehr froh, denn das sichert Arbeitsplätze und die Nahversorgung für die Menschen vor Ort", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy. Die Schließung der übrigen Karstadt- und Kaufhof-Häuser koste allerdings tausende Arbeitsplätze und werde sich auf die betroffenen Innenstädte "spürbar auswirken". Wenn die traditionsreichen Versorgungszentren leer stünden, könne das Umfeld schnell an Attraktivität verlieren, warnte Dedy.

Um dessen Verödung zu verhindern, müssten die betroffenen Städte die "Schlüsselimmobilien" erwerben und als vorübergehende Eigentümer selbst über die Nachnutzung entscheiden dürfen, forderte Dedy. "Für mehr Grunderwerb durch die Städte sollten wir deshalb auch über einen Bodenfonds nachdenken oder eine Erweiterung der Städtebauförderung", erklärte er mit Blick auf die Regierungen von Bund und Ländern.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert schon seit Wochen einen Sonderfonds mit 500 Millionen Euro, um Leerstände zu analysieren und zu bekämpfen sowie für eine Modernisierung und Vereinheitlichung von Einzelhandelskonzepten. SPD-Fraktionsvize Katja Mast wünscht sich solche modernen Konzepte auch für die erhaltenen Galeria-Standorte: Es gehe darum, "wie wir vor lauter Online-Handel attraktive Innenstädte und damit auch Warenhäuser und Geschäfte erhalten".

Ebendiese Frage stellt sich auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Angesichts der "Krise in den Innenstädten" hatte er am Dienstag einen Runden Tisch Anfang Oktober angekündigt. Dabei soll unter anderem mit dem Einzelhandel und der Digitalwirtschaft beraten werden, "wie wir dem Einzelhandel die Partizipation an steigenden Onlineumsätzen ermöglichen können". Es gebe entsprechende Modelle auf lokaler Ebene, der Bund solle diese Entwicklung unterstützen.

Die Einzelhändler in Deutschland haben nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juli zwar insgesamt preisbereinigt 4,2 Prozent mehr Umsatz erzielt als im Vorjahresmonat - und auch 0,9 Prozent mehr als im Vorkrisenmonat Februar 2020. Doch zwischen den einzelnen Branchen gibt es weiterhin große Unterschiede: Während der Online-Handel mit einem Plus von 15,6 Prozent zum Vorjahr weiter boomt, liegt der Handel mit Bekleidung, Schuhen und Lederwaren noch 8,0 Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus.

Für Deutschlands letzte große Kaufhauskette Karstadt Kaufhof war der Umsatzeinbruch in der Corona-Krise zu viel; auch Bemühungen um einen Hilfskredit und Mietstreichungen konnten die Insolvenz nicht abwenden. Es gibt indes Hoffnung auf eine erfolgreiche Sanierung bis Ende des Monats: Am Dienstag stimmten die Gläubiger in Essen mit großer Mehrheit dem aktuellen Insolvenzplan zu.

Dieser sieht die Schließung von 47 Filialen vor, 4000 Galeria-Mitarbeiter würden dadurch ihren Job verlieren. In einer Stadt liefen aber noch konkrete Verhandlungen, sagten die Unternehmensführung und die Insolvenzverantwortlichen nach der Gläubigerversammlung. Mit Blick auf die Schließungsfilialen sagte Sachwalter Frank Kebekus: "Mit etwas Glück und Mühe werden es vielleicht auch noch ein paar weniger."

Anfangs hatten rund 80, Mitte Juni dann noch rund 60 Kaufhäuser auf der Streichliste gestanden. "Die betroffenen Städte kämpfen seit Monaten um den Erhalt möglichst vieler Filialen", betonte Dedy. Auch die Gewerkschaft Verdi ist nach eigenen Angaben optimistisch, dass weitere Häuser gerettet werden könnten.

(O.Tatarinov--DTZ)