Deutsche Tageszeitung - Umfangreicher Strafprozess im VW-Dieselskandal in Braunschweig begonnen

Umfangreicher Strafprozess im VW-Dieselskandal in Braunschweig begonnen


Umfangreicher Strafprozess im VW-Dieselskandal in Braunschweig begonnen
Umfangreicher Strafprozess im VW-Dieselskandal in Braunschweig begonnen / Foto: ©

Sechs Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals hat vor dem Landgericht Braunschweig ein umfangreicher Strafprozess gegen vier damalige Führungskräfte des VW-Konzerns begonnen. Den teils ehemaligen Mitarbeitern wird vor allem gewerbs- und bandenmäßiger Betrug im Zusammenhang mit der Schummelsoftware in Dieselmotoren vorgeworfen. Die Anklage richtet sich auch gegen Ex-Chef Martin Winterkorn - sein Prozess startet aus gesundheitlichen Gründen jedoch zu einem späteren Zeitpunkt.

Textgröße ändern:

Es ist der zweite große Strafprozess im Dieselskandal in Deutschland, nachdem sich seit dem vergangenen Jahr bereits der frühere Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, vor Gericht verantworten muss. Der Prozess läuft noch immer.

Am Donnerstag begann nun nach mehreren Jahren Vorbereitung und Verschiebungen wegen der Corona-Pandemie der Betrugsprozess in der Stadthalle von Braunschweig - dorthin wurde der Prozess wegen der Corona-Abstandsregeln verlegt. Die vier damaligen Führungskräfte, darunter Ingenieure und Motoren-Verantwortliche, müssen sich für Betrug im Zeitraum von November 2006 bis September 2015 verantworten; nicht für alle gilt aber der gesamte Tatzeitraum.

Die Anklage umfasst fast 700 Seiten. Kernfragen sind: Wer wusste wann was über die eingebaute illegale Software in den Dieselautos, die den wahren Ausstoß von Stickoxiden im Fahrmodus verschleierte? Käuferinnen und Käufer hätten durch den Betrug einen Vermögensschaden von insgesamt mehreren hundert Millionen Euro erlitten, lautet der Vorwurf. Im laufenden Verfahren sind nach Angaben des Gerichts weltweit über neun Millionen Dieselautos der Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda betroffen.

Volkswagen hatte vor ziemlich genau sechs Jahren nach Ermittlungen von US-Behörden einräumen müssen, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut zu haben. So wurde der Ausstoß von Stickoxiden auf dem Prüfstand gesenkt und die vorgeschriebenen Grenzwerte wurden so eingehalten. Im realen Betrieb auf der Straße war dies jedoch nicht der Fall und die Fahrzeuge hätten nicht zugelassen werden dürfen.

Der Strafprozess dürfte mehrere Jahre dauern. Bei einem Schuldspruch drohen den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Zu einem späteren Zeitpunkt dürfte auch Winterkorn vor Gericht erscheinen - er war von 2007 bis 2015 VW-Chef und trat im Zuge des Abgasskandals zurück. Wegen einer Operation stufte das Gericht den 74-Jährigen zuletzt als verhandlungsunfähig ein und trennte sein Verfahren von dem der übrigen vier Angeklagten ab, um eine weitere Verschiebung des Auftakts zu vermeiden.

Die Gesamtverfahrensdauer werde sich dadurch "nicht verdoppeln", erklärte das Gericht kürzlich. Winterkorn habe laut Anklagevorwurf erst "verhältnismäßig spät von den eventuellen Manipulationen erfahren". Dementsprechend beziehe sich der Anklagevorwurf auf weniger als ein Prozent der rund neun Millionen Fahrzeuge, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft von den Manipulationen betroffen gewesen sein sollen.

Volkswagen erklärte zum Prozessauftakt, es liege "im Interesse der Mitarbeiter, Anteilseigner und des ganzen Unternehmens, die Sachverhalte, die zur Dieselkrise geführt haben, juristisch restlos aufzuklären". Die Krise gehöre zur Geschichte des Unternehmens dazu. "Das reden wir nicht schön." Gleichzeitig handle es sich um eine "Anklage gegen Einzelpersonen". Für das Fehlverhalten als Unternehmen habe der VW-Konzern "die Verantwortung übernommen".

(W.Uljanov--DTZ)

Empfohlen

Mindestlohn: IG Metall für einvernehmliche Lösung - Bas vertraut auf Kommission

In der Debatte über einen höheren Mindestlohn hat die Gewerkschaft IG Metall die Sozialpartner in der Mindestlohnkommission zu einer einvernehmlichen Lösung gedrängt. "Wir erwarten eine Einigung in der Mindestlohnkommission", sagte Gewerkschaftschefin Christiane Benner der "Rheinischen Post" vom Samstag. Sie sei "sicher", dass die Kommission dies schaffen werde. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) unterstrich ebenfalls ihr Vertrauen in das Gremium.

Bas sieht kein Einsparpotenzial durch schärfere Sanktionen beim Bürgergeld

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht wenig Einsparpotenzial durch verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld. "Die Sanktionen werden nicht helfen", sagte sie im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Es sei eine falsche Annahme, dass sich über unkooperative Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld viel Geld sparen lasse. "Die Wahrheit ist, wenn man sich die Zahlen anschaut, die sogenannten Totalverweigerer sind eine geringe Anzahl", sagte Bas.

Studie zeigt Wandel in der Erziehung: Erfolg und Gehorsam verlieren an Wert

Verantwortung, Nähe und Selbstbestimmung: Ihrem Nachwuchs derlei Werte zu vermitteln ist Eltern einer Studie zufolge mittlerweile deutlich wichtiger als Kriterien wie Erfolg und Gehorsam. Eine Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK unter 2000 Müttern und Vätern ergab, dass Verantwortungsbewusstsein (48 Prozent), Hilfsbereitschaft und Höflichkeit (jeweils 47 Prozent) auf der Liste der Eigenschaften, die Eltern vermitteln möchten, ganz oben stehen. Die Ergebnisse lagen der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vor.

Renten seit 2014 um mehr als ein Drittel gestiegen

Die gesetzliche Rente für die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich um rund 37 Prozent gestiegen. Das geht aus neuen Zahlen der Rentenversicherung hervor, die der "Rheinischen Post" vom Samstag vorlagen. Demnach lag die durchschnittliche Rentenzahlung für diejenigen, die nach 35 Versicherungsjahren neu in die Altersrenten gingen, vor zehn Jahren noch bei 1210 Euro pro Monat. Im vergangenen Jahr betrug sie bereits 1660 Euro.

Textgröße ändern: