Deutsche Tageszeitung - Industrie blickt verhalten nach vorn und fürchtet weiteres Stop-and-Go-Jahr

Industrie blickt verhalten nach vorn und fürchtet weiteres Stop-and-Go-Jahr


Industrie blickt verhalten nach vorn und fürchtet weiteres Stop-and-Go-Jahr
Industrie blickt verhalten nach vorn und fürchtet weiteres Stop-and-Go-Jahr / Foto: ©

Die deutsche Industrie blickt verhalten ins neue Wirtschaftsjahr: "Trotz voller Auftragsbücher werden fehlende Mikrochips, Bauteile und Rohstoffe die Produktion noch längere Zeit beeinträchtigen", erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Donnerstag. Für 2022 erwartet der Verband ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zeigte sich optimistischer, verwies aber auf einen hohen Finanzierungsbedarf für eine klimaneutrale Wirtschaft.

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Viele Betriebe in der Automobil-, der Elektroindustrie oder im Maschinenbau litten unter Lieferengpässen, fuhr der Verband fort. "Diese Engpässe bremsen die industrielle Wertschöpfung in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils mehr als 50 Milliarden Euro aus", prognostizierte Russwurm. Die Produktion könne derzeit nicht mit der Nachfrage Schritt halten. Der deutschen Wirtschaft drohe "ein weiteres Stop-and-Go-Jahr".

Bei den Exporten rechnet der Verband mit einem Zuwachs von vier Prozent in diesem Jahr - gerade einmal halb so viel wie 2021. Die Wirtschaft sei angesichts der Risiken auf "Verlässlichkeit und Berechenbarkeit angewiesen", hieß es. "Die Politik muss den Negativtrend der vergangenen Jahre umkehren, über die Krisenbewältigung hinaus die Schlagzahl erhöhen und einen Wachstumskurs einschlagen."

Der Standort Deutschland drohe unter anderem wegen hoher Energiekosten und Steuern, eines schleppenden digitalen Wandels und mangelnder Investitionen in die Infrastruktur an Attraktivität zu verlieren, warnte der BDI. Die Omikron-Variante des Coronavirus sei ein weiteres Risiko für die wirtschaftliche Erholung. Daher sei ein "einheitlicher, evidenzbasierter Langzeitplan zur Eindämmung der Pandemie" nötig. Vor allem müssten mehr Daten erhoben werden, etwa über Corona-Patienten auf Intensivstationen.

Das IMK äußerte sich insgesamt optimistischer zum Wachstum in diesem Jahr und geht von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 4,5 Prozent aus. Aufholeffekte, vermehrter privater Konsum im Frühjahr und eine Entspannung der Lieferengpässe würden zu einer entsprechenden Erholung führen, hieß es am Donnerstag seitens der Forschenden.

Zugleich stellt die angepeilte Dekarbonisierung Wirtschaft und Staat vor große Herausforderungen: Auf 600 bis 800 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren beziffert das Institut den zusätzlichen Finanzierungsbedarf. Allein in dieser Legislatur würde das bis zu 320 Milliarden Euro entsprechen, heißt es im aktuellen Wirtschaftspolitischen Jahresausblick.

"Nur mit mehr Investitionen wird es gelingen, die Wirtschaft gleichzeitig zu dekarbonisieren und unseren Wohlstand zu sichern", erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Grundsätzlich sehen die Forschenden demnach kein Problem darin, diesen Bedarf über Kredite zu finanzieren. Die Schuldengrenzen im Grundgesetz seien aber nach wie vor ein "enges Korsett für öffentliche Investitionen".

Positiv bewerteten die IMK-Forscher die geplante Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde. Das sei ein "wichtiger Schritt in Richtung eines existenzsichernden Mindestlohns". Bei der Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs auf 520 Euro im Monat handele es sich hingegen um einen "schwerwiegenden arbeitsmarktpolitischen Fehler". Dies fördere Beschäftigungsformen mit wenig Arbeitsumfang, niedrigen Löhnen und mangelnder sozialer Absicherung, kritisierten die Forscher.

(P.Vasilyevsky--DTZ)

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