Deutsche Tageszeitung - Weniger Fleischkonsum soll gegen globales Insektensterben helfen

Weniger Fleischkonsum soll gegen globales Insektensterben helfen


Weniger Fleischkonsum soll gegen globales Insektensterben helfen
Weniger Fleischkonsum soll gegen globales Insektensterben helfen / Foto: ©

Weniger Fleischkonsum und mehr nachhaltige Landwirtschaft ohne Pestizide sind nach Angaben des BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung wirksame Mittel im Kampf gegen das globale Insektensterben. In ihrem am Mittwoch erstmals vorgestellten "Insektenatlas" beklagen die Umweltschutzorganisation und die Grünen-nahe Stiftung dramatische Rückgänge bei Insektenpopulationen weltweit. Zugleich verweisen die Autoren auf die Bedeutung von Bienen, Ameisen oder Marienkäfern - auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Textgröße ändern:

Dafür, dass die Zahl der Insektenarten und die der Insekten insgesamt rückläufig ist, gibt es dem Atlas zufolge zahlreiche Belege. So seien etwa bei der Hälfte der 561 Wildbienenarten in Deutschland die Populationen rückgängig. Zugleich sei "ein sehr großer Teil der Pflanzenwelt" auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Bei einem Wegfall drohe bei zahlreichen Obst- und Gemüsesorten wie Äpfeln, Kirschen, Pflaumen oder Gurken ein Ernterückgang von bis zu 90 Prozent.

Außerdem verbesserten Insekten durch das Zersetzen von Dung und abgestorbenen Pflanzenteilen die Bodenqualität und reduzierten Pflanzenschädlinge. So könnten etwa Marienkäfer den Befall mit Getreideblattläusen um 80 Prozent reduzieren.

"Der globale Schwund von Insekten ist dramatisch", erklärte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Ursache Nummer eins sei hierbei die industrielle Landwirtschaft, beklagte sie. "Weltweit treiben Monokulturen mit Energie- oder Futterpflanzen für unsere Massentierhaltung in Ländern wie Brasilien oder Indonesien die Entwaldung, monotone Agrarwüsten und den Pestizideinsatz massiv voran." So habe sich allein in Argentinien der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln seit den 90er Jahren verzehnfacht.

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt mahnte deshalb eine Reduzierung des Fleischkonsums für den Insektenschutz an. "Das Sojafutter für die intensive Tierhaltung stammt aus südamerikanischen Staaten, die dafür artenreiche Landschaften in Monokulturen verwandeln", erklärte er und appellierte zugleich an die Verbraucher: "Wir müssen beim Insektenschutz auch unseren Lebensstil hinterfragen: Weniger Fleisch und Milch, dafür artgerecht gehalten und mit fairen Preisen für die Bauernhöfe, das wäre wichtig."

Zugleich werde Insektenschutz "bislang nicht an der Ladenkasse bezahlt", kritisierte Bandt. Bäuerinnen und Bauern bekämen dies nicht entlohnt. Hier sei nicht nur die Bundesregierung, sondern auch der Handel in der Pflicht, "für faire Erzeugerpreise zu sorgen".

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, erklärte, der "Insektenatlas" von BUND und Böll-Stiftung enthalte keine neuen Erkenntnisse. "Wir erkennen seit langem an, dass es beim Insektenschutz Handlungsbedarf gibt - gesamtgesellschaftlich und in der Landwirtschaft", betonte er. Insekten als Bestäuber und Nützlinge seien essenziell für die Landwirtschaft, aber der Schutz der Kulturpflanzen vor Schädlingen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben.

Der "Insektenatlas" beklagt insbesondere, dass die Menge der weltweit eingesetzten Pestizide seit 1950 um das Fünfzigfache gestiegen sei. Der ökologische Landbau ohne Pestizide und synthetischen Dünger, aber mit mehr Fruchtfolgen, böte Insekten bessere Lebensbedingungen, schreiben die Autoren. Zwar seien Landwirtschaft und Insektenschutz nicht leicht zu verbinden. Dennoch lohne sich dies: Die weltweite Bestäubung habe einen Wert von hunderten Milliarden Dollar.

Zudem profitierten Schädlinge unter den Insekten von großen Monokulturen und davon, dass die immer gleichen Pflanzen auf dem Acker stünden. Viele verschiedene Kulturarten, lange Fruchtfolgen und kleine Felder könnten hierbei helfen, "ein für die Landwirtschaft günstigeres Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen sicherzustellen".

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta forderte, "statt pauschaler Auflagen bei Pflanzenschutz ohne Folgenabschätzung, die die Produktion in Deutschland verhindern", sei nun dringend ein politischer Rahmen nötig, der die Landwirtschaft effizienter und somit auch nachhaltiger mache. "Hysterische Alarmierungen auf Basis dünner Datengrundlagen helfen hier nicht weiter", kritisierte er. Die Diskussion um den Insektenrückgang benötige "dringend mehr Sachlichkeit".

(P.Vasilyevsky--DTZ)

Empfohlen

Gesetzesvorhaben: Neuer Gebäudetyp E soll Bauen vereinfachen

Die Bundesregierung will mit einer Gesetzesreform das Bauen deutlich vereinfachen, Innovation fördern und so die Baukonjunktur wieder ankurbeln. Mit dem geplanten sogenannten Gebäudetyp E sollen Bauunternehmen einfacher von technischen Normen abweichen können, wie es am Freitag aus dem Bundesjustizministerium hieß. Eine entsprechende Gesetzesänderung im Bürgerlichen Gesetzbuch in Absprache mit dem Bundesbauministerium soll bald vorgelegt werden.

Automobilzulieferer ZF will bis 2028 bis zu 14.000 Stellen in Deutschland abbauen

Deutschlands zweitgrößter Automobilzulieferer, das Friedrichshafener Unternehmen ZF, will in den kommenden Jahren tausende Stellen streichen. "Die deutschen Standorte sollen perspektivisch effizienter aufgestellt und zu mehreren Standortverbünden zusammengeführt werden", erklärte ZF am Freitag. Bis Ende 2028 soll sich die Zahl der derzeit rund 54.000 Beschäftigten in Deutschland um 11.000 bis 14.000 reduzieren.

Weiter stark steigende Preise: Russische Zentalbank hebt Leitzinsen

Die russische Zentralbank hat im Kampf gegen die weiter stark steigenden Preise im Land ihre Leitzinsen erneut erhöht. Der zentrale Zinssatz steigt von 16 auf 18 Prozent, wie die Moskauer Notenbank am Freitag mitteilte. "Die Inflation hat sich beschleunigt und liegt deutlich über der April-Prognose", erklärte sie dazu. Es ist bereits die sechste Zinsanhebung in gut einem Jahr.

Automobilzulieferer ZF will bis zu 14.000 Stellen in Deutschland abbauen

Der Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen will tausende Stellen streichen. "Die deutschen Standorte sollen perspektivisch effizienter aufgestellt und zu mehreren Standortverbünden zusammengeführt werden", erklärte das Unternehmen am Freitag. Bis Ende 2028 soll sich die Zahl der derzeit rund 54.000 Beschäftigten in Deutschland um 11.000 bis 14.000 reduzieren.

Textgröße ändern: