
Missstände in Schlachthäusern fachen Debatte über Fleischpreise an

Die Debatte über Missstände in Schlachthöfen wirft zunehmend auch ein Schlaglicht auf die Preise für Fleisch. Während am Montag aus den Reihen der Union und von den Grünen Forderungen nach höheren Fleischpreisen laut wurden, warnte die Ernährungsindustrie vor "Öko-Populismus". Die eigentlich für Montag geplanten Beratungen der Bundesregierung zu den vielfach kritisierten Arbeitsbedingungen in der Branche wurden unterdessen auf Mittwoch verschoben.
Hintergrund der aktuellen Debatte über die Missstände in der Fleischwirtschaft ist, dass es in mehreren Schlachtbetrieben in den vergangenen Wochen Corona-Ausbrüche gegeben hatte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bekräftigte am Montag, "in diesem Bereich richtig aufräumen" zu wollen.
Sein Beschlussvorschlag sieht Berichten zufolge ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen vor. Zur Verschiebung sagte Heil, beim Koalitionspartner CDU/CSU gebe es noch "Gesprächsbedarf". Er gehe aber davon aus, "dass wir das gemeinsam bis Mittwoch hinkriegen".
Die Gewerkschaft NGG kritisierte die Verschiebung scharf. "Sämtliche Fakten über die unhaltbaren und menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der mit Werkverträgen in deutschen Schlachthöfen Beschäftigten liegen seit Monaten und Jahren auf dem Tisch", erklärte NGG-Vizechef Freddy Adjan. "Schlachthöfe sind inzwischen Hotspots der Coronavirus-Pandemie. Die Bundesregierung muss endlich handeln, um Beschäftigte und die Bevölkerung zu schützen."
Kurz zuvor war ein weiterer Ausbruch des Coronavirus in einem deutschen Schlachtbetrieb bekannt geworden. 92 Mitarbeiter eines Schlachthofs im niedersächsischen Dissen wurden positiv getestet. Aber auch in anderen Ländern gibt es Coronavirus-Ausbrüche auf Schlachthöfen; in Frankreich etwa sind zwei Betriebe betroffen.
Wie der Landkreis Osnabrück am Montag mitteilte, dürfen in dem Zerlegebetrieb in Dissen nun die aktuell noch gelagerten Schweinehälften sowie die Fleischmengen, "die bereits in Lastwagen aus ganz Europa angeliefert werden und nicht mehr gestoppt werden können", in den kommenden Tagen noch verarbeitet werden. Nach dieser "Notzerlegung" werde der Betrieb für zwei Wochen geschlossen.
In der Debatte um die Fleischpreise bekräftigte Grünen-Chef Robert Habeck seine Forderung nach einem Mindestpreis für Fleischprodukte. "Preise für Fleisch oder Milch, die unter den Produktionskosten der Bauern liegen, sind schlicht eine Schweinerei", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Die Lockangebote an Verbraucher beim Fleisch legten den Bauern "Daumenschrauben" an und "zerstören alles, was politisch sinnvoll ist", kritisierte der Grünen-Vorsitzende. Wenn von den Bauern gute Arbeit sowie Tierschutz und Klimaschutz verlangt würden, müssten sie dafür auch entsprechend bezahlt werden.
Auch Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein plädierte für höhere Fleischpreise. "Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel", sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Er bringe die Landwirte in Existenznöte, schade dem Tierwohl und sei für die problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich. Nüßlein sprach sich dafür aus, die Fleischpreise über die Mehrwertsteuer anzuheben. Der CSU-Vorstand wies diese Forderung allerdings zurück.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte AFP, diese Debatte lenke davon ab, um was es wirklich geht. "Das lassen wir der Union nicht durchgehen. Es geht darum, das Geschäftsmodell in der Fleischindustrie substanziell zu ändern."
In Berlin demonstrierten am Montag Aktivisten von Greenpeace gegen das "kranke System Billigfleisch". Sie kritisierten neben der Ausbeutung von Arbeitskräften bei der Produktion insbesondere auch "Tierleid" und "Waldzerstörung für den Anbau von Futtermitteln".
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie bezeichnete die "planwirtschaftliche Forderung nach einem Mindestpreis für Fleisch" hingegen als "bösen Rückfall in vergangen geglaubten Öko-Populismus". Fleischprodukte gehörten aufgrund ihrer "wertvollen Inhaltsstoffe zu einer ausgewogenen Ernährung dazu und das sollte nicht nur dem zahlungskräftigen Teil unserer Gesellschaft vorbehalten bleiben".
(N.Loginovsky--DTZ)